Die Welt der grünen Lady
geschah, gab sie ihrem Bruder ein Zeichen, nochmals zu schlagen. Wieder tönte der langgezogene, vibrierende Klang durch die Luft, und diesmal spürte ich, wie auch mein ganzer Körper vibrierte. Ich hatte schon gehört, daß Ton Vibration sein kann, aber dieses Gefühl, von einer einzigen Note durchbohrt zu werden, war so erschreckend, daß ich wußte, daß ich die Kinder unbedingt daran hindern sollte, in ihrem Tun fortzufahren. Wissentlich oder unwissentlich beschwor Bartare hier Kräfte, die nicht von unserer Welt waren.
Ich humpelte vorwärts. Mein Fuß schmerzte. Oomark hatte zum zweiten Mal seinen Stein fortgeschleudert und hielt seinen rechten Arm vor das Gesicht, wie um sich vor einem Schlag zu schützen. Und obgleich ich Bartares wütende Befehle hörte, rührte er sich nicht.
»Los jetzt!« schrie sie. »Tu, was ich dir sage, Oomark! Willst du, daß ich den Machtstrahl auf dich richte? Tu, was ich dir sage! Sofort!«
Eine Weile dachte ich, er würde sich weiterhin widersetzen, aber entweder siegte ihre Drohung, oder die Tatsache, daß er schon so lange von ihr beherrscht wurde. Er bückte sich und tastete nach dem Stein umher. Er hielt seine Augen dabei fest geschlossen, als wäre seine Schwester für ihn ein Anblick des Schreckens.
»Schlag zu!« kreischte sie.
Wieder ertönte der vibrierende Doppelton, den ich spürte wie einen körperlichen Angriff. Und wieder blieb das, was sie als Antwort darauf zu erwarten schien, aus. Sie war so vertieft, daß ich sicher war, ihr nahe genug zu kommen, um sie zu packen. Allerdings mußte mein Angriff von hinten erfolgen, damit sie nicht wieder ihre wirksame Waffe von vorher anwenden konnte.
Es war Oomark, der mich verriet. Er blickte in meine Richtung, und irgend etwas in seinem Ausdruck muß Bartare gewarnt haben. Sie drehte ihren Kopf kaum, als genüge es, mich aus dem Augenwinkel zu beobachten und schrie: »Schlag zu!«
Als ob mich dieser Befehl ebenfalls in Bewegung setzte, stolperte ich und fiel gegen einen dritten der roten Kugelsteine. Mein Schultersack schlug dagegen, und statt zwei erklangen drei Noten zusammen. Hatte ich vorher die Vibration schon körperlich gespürt, so war das nichts gegen das, was ich jetzt fühlte. Ich kann es nicht mit Worten beschreiben. Mir war, als würde ich an einem Seil über einen unermeßlichen Abgrund schwingen und eine zeitlose Spanne dort hängen, bis plötzlich alles in totaler Dunkelheit und Bewußtlosigkeit endete.
Aber auch die Periode der Bewußtlosigkeit endete, und ich öffnete meine Augen. Sofort machte ich sie jedoch wieder zu, und heftige Übelkeit bemächtigte sich meiner. Was dieser kurze Blick mir gezeigt hatte, war so unähnlich allem, was ich bisher gekannt hatte, daß ich an meinem gesunden Verstand zweifelte.
Ich lag auf einer glatten, harten Oberfläche, und es war mir klar, daß ich hier nicht ewig bleiben konnte. Also bemühte ich mich, meine entsetzliche Angst zu bezähmen, öffnete meine Augen wieder und wagte einen zweiten Blick.
Zunächst starrte ich geradeaus. Da war keine Sonne, kein Mond, nur ein Grau in Grau, vergleichbar mit einer frühen Dämmerung.
Langsam wandte ich meinen Kopf nach rechts. Was ich da sah, waren keine Felsblöcke wie jene, die mich zuvor umringt hatten, sondern geometrische Figuren. Manche von ihnen bewegten sich und schwebten langsam und scheinbar ohne Ziel vorbei. Dann entdeckte ich andere, die sich ruckweise und im Zickzack fortbewegten. Bei diesem so völlig fremdartigen Anblick wurde mir erneut übel, so daß ich meine Augen wieder schließen mußte.
Obgleich um mich herum alles grau war, hatten diese geometrischen Formen so grelle Farben, daß die Augen zu brennen begannen, wenn man sie zu lange ansah. Jetzt wandte ich meinen Kopf mit geschlossenen Augen nach links. Erst dann sah ich hin.
Hier gab es weitere feststehende Dreiecke, Rechtecke und Kreise und nur ein oder zwei bewegliche Formen, die jedoch nur sachte schwebten. Vorsichtig stützte ich mich mit beiden Händen auf den Boden und richtete mich auf. Sofort wurde mir schwindlig, aber ich gab nicht nach. Das Schwindelgefühl verging, und schließlich saß ich aufrecht am Boden. Ich schien auf einem steinigen Untergrund zu sitzen, der hier und da mit glitzerndem grauen Staub bedeckt war. Als ich mit beiden Händen hineingriff, fühlte es sich an wie feiner Sand.
Bis jetzt war meine Aufmerksamkeit völlig von dem in Anspruch genommen gewesen, was ich sah, doch jetzt wurde ich auch aufmerksam auf das,
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