Die Welt der grünen Lady
was ich hörte. Irgendwo weinte ein Kind, nicht laut und wütend, sondern jammervoll und hoffnungslos, und ich ahnte, daß es mein kleiner Schützling war. Allerdings konnte ich in dieser unheimlichen, fremden Welt nicht erkennen, aus welcher Richtung das Weinen kam.
»Oomark!« rief ich, obgleich mir bewußt war, daß Geräusche hier gefährlich sein konnten.
Als ich das zweite Mal seinen Namen rief, hörte das Weinen auf, und dann hörte ich ein zaghaftes, ungläubiges: »Kilda? Bist du es, Kilda?«
»Ja, ich bin es. Wo bist du?« Meiner Ansicht nach war er irgendwo zur Linken. Irgendwie gelang es mir, auf die Füße zu kommen. Ich wartete, bis das erneute Schwindelgefühl verging und machte mich dann auf die Suche nach Oomark. Mein Fußgelenk schmerzte mehr denn je, und ich kam nur hinkend vorwärts.
Als er nicht antwortete, fragte ich wieder: »Oomark, wo bist du?«
Die Antwort klang ängstlich. »Ich … ich weiß es nicht.«
»Ist Bartare bei dir?« In diesem Augenblick hoffte ich, daß sie nicht da war, denn ich fühlte mich keinem Willenskampf gewachsen. Ich brauchte Zeit, um mich zu fassen.
»Nein. «
»Kannst du mir sagen, wo du bist – ich meine, wie es um dich herum aussieht?« Ich versuchte, mich an den feststehenden Figuren zu orientieren.
»Da ist ein großer Baum – und ein Busch mit gelben Beeren – und ein paar große Steine …«
Zwischen den Worten schnüffelte und schniefte er jämmerlich.
Aber das war doch unmöglich! Er sah völlig andere Dinge als ich! »Oomark – stimmt das auch?«
»Ja! Oh, bitte, Kilda, komm doch und hole mich! Ich mag hier nicht sein! Ich will nach Hause – bitte, Kilda, komm doch!«
Jetzt war ich ganz sicher, daß seine Stimme von der anderen Seite des dunkelroten Kegels kam. Erschrocken blieb ich stehen, als eine blaue Stange mit zwei sechseckigen Flossen an meinem Kopf vorbeizischte und den orangefarbigen Zylinder streifte. Als sie fort war, setzte ich mich wieder in Bewegung.
»Jetzt kann ich dich sehen, Kilda!« Eine kleine Gestalt kam auf mich zugelaufen. Zu meiner großen Erleichterung war es Oomark in seiner richtigen menschlichen Gestalt – ich hatte schon befürchtet, daß wir beide uns vielleicht ebenso verändert hatten wie die Landschaft um uns. Aber offensichtlich sah er mich genau so normal wie ich ihn.
Er klammerte sich so heftig an mich, daß ich mich nicht rühren konnte. Und ich muß gestehen, daß seine Anwesenheit auch mir ein Halt war. Endlich verebbte sein Schluchzen, und seine Umklammerung lockerte sich ein wenig.
Als ich ihn soweit getröstet hatte, hob ich sein schmutz- und tränenverschmiertes Gesichtchen aus den Falten meiner Tunika. »Oomark … sag mir – was siehst du dort?« Ich deutete auf den orangefarbenen Zylinder.
»Einen Busch mit Beeren – mit so vielen Beeren, daß die Zweige herunterhängen«, antwortete er prompt.
»Und was ist das dort?« Ich zeigte auf das grüne Dreieck.
»Das ist ein Baum.«
»Und das?« Jetzt kam der dunkelrote Kegel an die Reihe.
»Ein großer, dicker Felsbrocken. Aber, Kilda, warum willst du das alles wissen? Das siehst du doch selbst …«
Ich kniete mich hin und legte meinen Arm um ihn. Ich mußte mich jetzt vorsichtig ausdrücken – aber ich wollte ihm die Wahrheit sagen. »Oomark, hör mir zu. Ich sehe das alles überhaupt nicht so wie du …« Ich wußte nicht weiter, denn mein Eingeständnis konnte schon genügen, ihn wieder in Panik zu versetzen. Ich war jetzt sein einziger Halt, und wenn ich mich nicht als fester Anker erwies, konnte er vollends verwirrt werden.
Aber Oomark nickte nur. »Farnsamen«, lautete sein erstaunlicher Kommentar.
Es kam so unerwartet, daß ich dachte, er hätte den Verstand verloren. »Was ist mit Farnsamen?« fragte ich vorsichtig.
»Sie hat Bartare einmal etwas davon gegeben. Wenn man es in die Augen bekommt oder davon ißt – dann sieht man alles anders. Vielleicht hat Bartare mir etwas davon in die Augen gestreut. Was siehst du denn, Kilda?« fragte er gespannt.
»Farnsamen« und »Sie«, lauter Teilstücke eines Puzzles, das ich wohl nie lösen werde. »Dein Busch – das ist für mich ein orangefarbiger Zylinder. Der Baum ist ein grünes Dreieck und der Felsblock ein dunkelroter Kegel.«
Sein Blick folgte meinem Zeigefinger. »Dann bist du es, die hier nicht richtig sieht, nicht wahr, Kilda?«
»Jedenfalls sehe ich etwas anderes als du, Oomark. Jetzt sag mir – wo ist Bartare? Hast du sie fortgehen sehen?«
»Ich habe sie
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