Die Welt der grünen Lady
Periode des Abzugs. Wir können uns auf den Weg machen. Ich habe Hunger.«
Ich versuchte es noch einmal und tat, als wollte ich meine Vorräte hervorholen. Aber Oomark schüttelte nur den Kopf. »Ich will richtiges Essen. Komm, laß uns gehen!«
Er machte einen Sprung über den dunkelgrünen Rand des Kreises. Ich warf einen Blick auf meine Stiefel. Es war klar, daß ich sie nicht mehr anziehen konnte – wozu sollte ich mich also damit belasten. Von jetzt an mußte ich mich mit einer Fußbandage begnügen. Ich ließ also die Stiefel liegen und folgte dem Jungen.
Der Abzug des Nebels erfolgte ziemlich rasch. Der Boden um uns war eben und wies viele Ringe verschiedener Größe auf. Nicht weit entfernt von uns war einer der Ringe ebenfalls besetzt, und als sich das dort kauernde Geschöpf ungeschickt aufrichtete, erkannte ich das Unding, das Oomark gejagt hatte. Die Kleiderfetzen, die es um den Leib trug, flatterten im Wind. Es wandte uns den Kopf zu. Ein Arm hing schlaff herab, aber der andere hob sich und streckte uns eine leere Hand entgegen. Ich sah, daß der Mund wieder arbeitete, wie schon zuvor, als das Geschöpf versucht hatte, zu sprechen.
Die Anstrengung war so sichtbar, so verzweifelt, daß sich eine Spur von Mitleid in meine Furcht mischte. Sogar ich konnte sehen, daß es uns kein Leid zufügen wollte, sondern lediglich um das bat, was ich bei mir trug. Warum wünschte es sich so sehr die Nahrung, die Oomark so beharrlich ablehnte?
Die schmalen Lippen arbeiteten heftig, und Speichel sammelte sich in den Mundecken. Die flehentlich ausgestreckte Hand zitterte. »Essen«, brachte das Wesen schließlich hervor.
Ich hielt meine Tunika mit den Vorräten fest im Arm, während ich mit der anderen Hand den Schultersack mit den Steinen schwang. Dennoch zögerte ich. Und dann wußte ich, daß ich nicht tun konnte, was für unsere Sicherheit gewiß am vernünftigsten gewesen wäre. Statt dessen griff ich in meine Tunika und zog, ohne hinzusehen, das Erstbeste heraus. Es war ein Schokowürfel. Diesen warf ich in die Richtung des Geschöpfes. Ich wagte nicht hinzublicken, um nicht vielleicht großzügiger zu werden, als ich mir erlauben konnte. Dann lief ich rasch Oomark nach.
Der Junge war stehengeblieben und wartete auf mich. »Warum hast du das getan?« fragte er mürrisch.
»Weil … weil er mir leid tat …«
»Warum?« Er lachte auf, ein häßliches Lachen, und deutete zurück.
Ich wandte mich um und sah das Geschöpf zusammengekrümmt am Boden liegen. Es machte keinerlei Versuch, uns zu folgen.
»Was … was hat er denn?«
»Er tat dir leid«, spottete Oomark, und sein Grinsen erinnerte mich an Bartare. »Aber ihm tut es jetzt noch mehr leid! Sieh ihn dir an! Du hast ihm Essen gegeben, und jetzt tut es ihm entsetzlich weh, weil er es gegessen hat! Aber er verdient seine Schmerzen! Er ist weder das eine, noch das andere. Vielleicht wird er bald gar nichts mehr sein.«
»Oomark …« Ich versuchte, seinen Arm zu fassen, aber er wich mir aus. »Das Essen – hat es ihn vergiftet?«
»Wenn nicht, wird er sich wünschen, es wäre Gift gewesen. Und dir wird es bald nicht anders gehen. Sieh dich an, Kilda – sieh dich doch an!«
Jetzt packte er meinen Arm, so fest, daß es weh tat, und hob ihn mir vor die Augen.
Der braune Glanz auf meiner Haut hatte sich verstärkt. Und sie war nicht mehr weich. Eine harte Schale schien sich auf meinem Fleisch zu bilden. Ich entriß ihm meinen Arm und weigerte mich, hinzusehen.
»Du kannst es nicht aufhalten, weißt du. Sieh mich an!« Oomark tanzte von einem Huf auf den anderen und drehte sich, damit ich ihn von allen Seiten betrachten konnte. Dabei zerrte er an seiner Tunika und zog sie schließlich aus, ebenso wie die Untertunika, so daß er bis zur Taille nackt war. Nackt – nein! Sein kleiner Körper war vollständig bedeckt mit weichem grauem Haar. Auf Armen und Schultern wuchs es dünner, so daß man doch die Haut darunter sehen konnte, aber um die Taille war es viel länger und dicker.
»Zieh sofort deine Kleider wieder an!« rief ich und versuchte, meinem Befehl mit meiner alten Autorität Nachdruck zu verleihen.
»Nein!« Er stieß seine Sachen mit dem Huf fort und reckte seine Arme. »Sie sind heiß, und sie kratzen. Ich brauche sie nicht mehr – nie mehr!« Er entfernte sich ein wenig und hielt Abstand, als fürchte er, ich könnte ihn packen und zwingen, die Kleider wieder anzulegen. Anders als bei den Stiefeln ließ ich die Kleider nicht liegen. Ich
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