Die Welt der grünen Lady
sich, daß mir übel wurde, und dennoch konnte ich nicht fortblicken.
Wieder rettete mich Kosgro, bevor ich dem Zauber erlag, den diese Frau auf mich ausübte, indem er meinen Namen rief. Es gelang mir, meine Augen von ihr abzuwenden. Ich sah wieder Bartare an.
»Frage sie«, wiederholte ich. »Sie soll sagen, daß du frei bist.«
»Ich brauche sie nicht zu fragen. Ich bin von ihrer Art – ihre geistige Tochter! Ich bin ein Wechselkind. Weißt du, was das heißt, Kilda? Früher wußte es deine Rasse sehr gut. Ich bin eine von jenen, die Menschen untergeschoben werden, um ihre Wege zu lernen und andere mit mir in diese Welt zurückbringen. Sie hat mir jetzt das Recht gegeben, mich den Folke in meiner wahren Gestalt zu zeigen – und dir zu beweisen, daß du keine Macht mehr über mich hast. Du hältst mich immer noch für ein Kind, Kilda, das tun muß, was du sagst. Ich habe diese Rolle gespielt, solange es nötig war, um das Tor zu dieser Welt zu erreichen. Aber ein Kind dieser Welt, eine Angehörige der Folke, untersteht nicht deinen Befehlen.« Sie hielt inne und wandte sich wieder zu jener nebelhaften Gestalt um. Diesmal folgte ich nicht ihrem Blick, sondern heftete ihn weiter auf Bartare.
»Sieh doch – die Folke und jene, die eins mit ihnen sind! Sie sind gekommen, um mich zu sehen, die ich ihnen mein Recht, hier zu stehen, beweisen will – mit diesem hier!«
Woher sie es hatte, wußte ich nicht, aber plötzlich hielt sie ein schmales Schwert in der Hand, nicht aus Metall, sondern aus ganz frischem, weißem Holz geschnitzt. Damit deutete sie hierhin und dorthin und lenkte unsere Aufmerksamkeit darauf, daß wir nicht länger allein vor der Plattform standen. Andere waren gekommen und beobachteten still die Szene.
Es war eine merkwürdige Versammlung. Da waren Geschöpfe wie Oomark – vielleicht jene Gruppe, die uns gefolgt war. Dann sah ich Frauen, schlanke Frauen mit dichtem, grünem Haar, das sich auf ihren Köpfen hin- und herbewegte, mit glänzender brauner Haut und dürftiger Bekleidung aus Blättern. Dann waren da Männer und Frauen von humanoider Erscheinung, menschlicher aussehend als jene anderen, und diese hatten alle schwarze Haare und trugen grüne Gewänder. Ich sah noch andere, manche wunderschön, andere häßlich und mit solch grotesken Köpfen, daß sie einem Alptraum entsprungen zu sein schienen. Sie alle sammelten sich auf den drei anderen Seiten der Plattform; direkt vor Bartare standen nur wir drei.
»Du bist eine Dazwischen geblieben, Kilda, genau wie dieses schnüffelnde Ungeheuer, das auf deinen Wunsch mitgekommen ist. Und Oomark.« Sie richtete den Blick auf ihren Bruder, der nun zu meinen Füßen kauerte und sich an meinen Beinen festklammerte. Aber sein Kopf blieb gesenkt, und er sah sie nicht an.
»Ja, Oomark. Ich schulde ihm etwas, weil er mir half, das Tor zu öffnen – obgleich er es nur tat, weil ich ihn zwang, und nicht, um mir zu helfen. Aber mir scheint, daß er sich jetzt an dich hält, Kilda.«
Ich legte meine Hand schützend auf den Kopf des Jungen. »Weil er noch nicht ganz verloren ist. Es ist noch etwas von dem in ihm, der er einmal war.«
»So? Wenn er gewählt hat, dann soll er bei seinem Entschluß auch bleiben. Und jetzt werde ich euch unseren Zwecken unterwerfen. Wenn die Zeit kommt, werdet ihr als Tribut für die Äußeren der Finsternis dienen. Ihr werdet ein Schloß an jenem anderen Tor sein, durch das zu viele des wahren Blutes gehen mußten. Durch die Macht in mir …«
»Kilda!« Das war Kosgro. »Gib mir deine Hand! Aber sieh mich dabei nicht an. Sieh dorthin – da!«
Und als ob er mit dem Finger gezeigt hätte, lenkten seine Worte meinen Blick. Was ich dort auf dem Boden sah, waren zwei der drei Blüten, die ich ihm gegeben hatte. Sie waren gelb und welk, aber dennoch sehr sichtbar.
Seine Hand umschloß die meine so fest, daß ich fast vor Schmerz aufgeschrien hätte, wäre mir nicht etwas anderes zu sehr bewußt geworden. In ihm war eine Stärke, die nicht nur körperlich war, sondern auch geistig, und etwas in mir antwortete dieser Kraft und wurde von ihr angezogen. Selbst wenn ich es gewünscht hätte, ich hätte jetzt meine Augen nicht mehr von den beiden Blüten abwenden können. Oomark drängte sich enger an mich, umklammerte meine Beine noch stärker und verbarg sein Gesicht.
»Nimm das, was von dem Zweig übrig ist, in die andere Hand!« Sofort griff ich nach den Resten von Stengel, Blatt und Blumen und umschloß alles fest mit
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