Die Welt der grünen Lady
werden.«
Er wartete nicht einmal, um zu sehen, ob ich ihm folgte. Er ging einfach in den Nebel hinein. Da ich keine andere Möglichkeit sah, nahm ich Oomarks Hand und trottete hinterher. Glücklicherweise lehnte sich Oomark nicht dagegen auf, sondern ging fügsam mit, allerdings immer noch wie in Trance.
Wir überquerten wieder die Sandfläche und betraten dann das Grasland. Jetzt, da der Druck, unter dem wir gestanden hatten, etwas nachließ, verspürte ich Hunger. Lange konnten wir nicht mehr weitergehen, ohne eine Pause einzulegen und etwas zu essen.
Auf der Wiese tauchten die ersten Büsche auf, und bald darauf riß sich Oomark los und rannte zu einem der mit goldenen Beeren überladenen Büsche. Als ich ihm nachlaufen wollte, hielt Kosgro mich zurück.
»Laß ihn. Er wird essen, ob du versuchst, ihn zurückzuhalten oder nicht. Wir müssen die restliche Nahrung der anderen Welt für uns bewahren …«
Das klang so herzlos, daß ich mich wütend gegen ihn wandte. Offenbar las er meine Gedanken.
»Es ist so. Die Kinder werden deine Vorräte jetzt nicht essen. Wenn du sie ihnen aufzwingst, vergeudest du sie nur, denn ihre Körper werden solche Nahrung ablehnen. Aber wir brauchen die Kraft, die sie uns gibt. Wenn wir uns ergeben und auch hier essen, werden wir nicht mehr sein, was wir waren. Willst du das, Kilda?«
Wahrscheinlich hatte er recht, aber ich war trotzdem wütend. Kosgro legte Bartare ins Gras und setzte sich neben sie. Ich zögerte. Ich wollte Oomark nachlaufen, der die Beeren von den Zweigen streifte und sich mit ihrem Saft beschmierte, als er sie allzu gierig in seinen Mund stopfte.
Als ich ihn so essen sah, wußte ich, daß Kosgro wieder einmal recht hatte. Auch jetzt noch würde ich den Jungen nicht davon abhalten können. Ich setzte mich also auch und beugte mich über Bartare. Zum ersten Mal machte ich mir Sorgen über ihren Zustand. Sie lag so schrecklich still da.
Aber ihr Herz schlug gleichmäßig unter meiner suchenden Hand, und sie sah aus, als schliefe sie friedlich.
»Bartare!« Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. Augenblicklich schlossen sich Kosgros Finger um mein Handgelenk und zogen es fort.
»Besser, du läßt sie so. Wenn sie aufwacht, ist sie vermutlich nicht bereit, mit uns zu gehen. Wir können schließlich nicht mit ihr kämpfen.«
»Aber – was ist mit ihr?«
»Der Notus hat sie geschockt. Ich habe das schon einmal gesehen. Es hält nicht an.«
Natürlich hatte er wieder recht.
»Wir brauchen etwas zu essen«, sagte er dann.
Ich öffnete meinen Tunika-Beutel und betrachtete unseren kümmerlichen Rest. Eine Waffel, zwischen uns geteilt? Oder ein in zwei Teile gebrochener Schokowürfel?
Kosgro bestand darauf, daß wir diesmal mehr haben müßten, weil wir unsere ganze Kraft brauchen würden. Ich gab nur sehr unwillig nach und holte zwei Waffeln heraus, von denen ich ihm eine reichte.
Oomark kehrte mit verschmiertem Gesicht und klebrigen Händen zurück. Er blickte auf Bartare und dann auf mich, und viel von der fremden Verschlagenheit war in seine Augen zurückgekehrt. »Die Lady will Bartare zurückhaben. Sie wird kommen und sie holen«, bemerkte er.
Er sagte es mit solcher Gewißheit, daß ich mich unwillkürlich umdrehte und erwartete, bereits die Verfolger hinter uns zu sehen.
»Es wird sein, wie es sein soll.« Kosgro stand auf und hob Bartare auf seine Schulter. »Wir gehen jetzt besser weiter …«
»Wohin?« fragte Oomark. »Beim nächsten Nebeleinfall werden wir Fleisch für die Jäger sein.«
Kosgro sah den Jungen eindringlich an. Dann fragte er ihn ruhig: »Wo würdest du Schutz suchen vor den Jägern?«
Ich glaube, Oomark war überrascht – aber jetzt zeigte sich wieder mehr Menschliches in seinem kleinen Gesicht.
»Es gibt nur einen Platz – wenn wir ihn finden können.«
Kosgro nickte. Sie teilten irgendein besonderes Wissen. Ich war ausgeschlossen. Das konnte ich nicht zulassen.
»Wenn ihr es beide wißt – wo ist das dann?«
»Wo der Notus wächst«, erwiderte Oomark, aber ersah immer noch Kosgro an.
»Aber ich dachte …« Ich erinnerte mich noch recht gut daran, wie er vor mir davongelaufen war, als ich den Notuszweig aufhob.
»Dort ist Sicherheit, vor den Finsteren – und vor der Lady.« Aber ich sah, wie er erschauerte, als ob solche Sicherheit teuer erkauft sein würde.
»Dort sind wir sicher«, wiederholte Kosgro, und es klang wie ein Versprechen. Ich fühlte mich immer noch ausgeschlossen, und meine Gereiztheit wuchs.
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