Die Welt der Kelten
und deren Stützen weiß und vergoldet waren. Ein strahlender Edelstein spendete ihnen Licht. Vor dem westlichen Tor |201| weideten herrliche Pferde, vor dem östlichen wuchsen drei Bäume aus purpurnem Glas. Dort sangen Vögel immerzu ein sanftes
Lied. Ein silberner Baum strahlte in blendendem Licht, und dicht an dicht standen weitere Bäume, die überreich köstlichste
Früchte trugen. Eine reiche Quelle sprudelte aus goldenen Zapfen, und ein Fass mit Met ging niemals zur Neige. Dort wohnte
die herrliche Jungfrau Fand mit weißblondem Haar, an deren Liebeszauber das Herz jeden Mannes zerbrechen musste. Das ganze
Land wurde von bildschönen Frauen bewohnt und von glänzenden Kriegern mit ihren Furcht erregenden Waffen.
Im Elfenland zog CúChulainn auf das Schlachtfeld und stellte sich allein einem riesigen Heer. Nachdem er viele Krieger getötet
hatte, griff Labraid selbst in den Kampf ein und zerstreute die Feinde endgültig. Doch der irische Held war so entfesselt,
dass er erst in drei Fässer kalten Wassers steigen musste, um sich zu beruhigen. Mit diesem Sieg gewann er die Elfin Fand,
bei der er einen Monat blieb und mit ihr schlief – worüber seine Ehefrau äußerst erzürnt war. Erst als ihnen Druiden Vergessenstränke
reichten, lösten sie den Bann der Anderwelt, dem der Held unterlegen war.
So manche andere irische Erzählung handelte ebenso von derartigen Beziehungen zwischen Männern und Elfenfrauen. Zu ihnen gehört
die Geschichte des Königssohnes Connla, der sich aus Liebe zu einer Fee entscheidet, die Menschenwelt zu verlassen. Ein gläsernes
Schiff aus der Anderen Welt entrückt ihn in das Reich der Síd.
Die irische Heldengalerie
Die irischen Dichter und Schreiber des Mittelalters hatten außer den Erzählungen von den mythischen Einwanderungen und den
Geschichten über die Andere Welt noch ein weiteres beliebtes Thema: die Abenteuer und Kämpfe der großen und verwegenen Heldengestalten.
Ihre Schlachten und Schicksale wurden zumeist in den ersten Jahrhunderten nach Chr. angesiedelt, ohne dass man überlieferte
historische Ereignisse damit verknüpfen könnte. Aber die freie und abgelegene Insel am Rande Europas bot mit ihren Stammesfehden
genug Stoff, aus dem sich in den folgenden Jahrhunderten die Heldensagen entwickelten. An den Höfen ihrer unzähligen Häuptlinge
und Könige pflegten deren Gefolgsleute ein Kriegerideal, das dem der alten Kelten auf dem Festland sehr nahe kam.
Die Erzählungen vermitteln in ihren fantasievoll gestalteten Szenen Eindrücke eines solchen heroischen Lebens, dessen Glanzpunkt
der ehrenvoll kämpfende Held in seinem Streitwagen darstellte. Je mehr erbeutete Feindesschädel an ihm hingen, desto größer
war der Ruhm des Kriegers. |202| Mit ihnen prahlte man beim Gelage in der Halle, dessen bestes Stück Schweinefleisch als so genannter Heldenbissen dem Helden
vorbehalten blieb. Außer dem Zweikampf kennen die Heldengeschichten den Rinderraub als herausragenden Beweis kriegerischer
Tapferkeit und Verwegenheit. Zur bekanntesten irischen Heldensage sollte die Erzählung eines solchen Viehdiebstahls werden,
wie weiter unten zu lesen ist. Da die Rinderherden der Insel als wertvollstes Gut galten, boten sie sich als Beute an, deren
Eroberung respektive Verteidigung dem Krieger Prestige einbrachte.
Unter der langen Heldengalerie Irlands, deren Krieger mit Namen wie Finn mac Cumaill und Cormac Conn Longas beeindruckten,
ragt konkurrenzlos CúChulainn hervor, von dem bereits mehrere Episoden wiedergegeben wurden. Die Sagen verleihen ihm schon
allein durch seine Herkunft eine besondere Rolle, weil seine Mutter aus einer königlichen Familie stammte und sein Vater jener
Lug von den Tuatha Dé Danann war, der fast 2 000 Jahre vorher das Fomóri-Ungeheuer Balor getötet hatte. Diese Abstammung aus
der Anderwelt trug zweifelsohne ihren Teil zu |203| CúChulainns ungewöhnlichen Fähigkeiten bei. Sein Name, der »Hund des Culann« bedeutet, verweist auf eines seiner Abenteuer,
die er als Kind bestand. Einstmals besuchte König Conchobar mit seinem jungen Neffen, dem späteren CúChulainn, den Schmied
Culann. Dieser besaß einen gefürchteten Kampfhund, den er von der Kette gelassen hatte, ohne zu ahnen, dass der Knabe im Hof
spielte. Als König und Schmied voll Sorge hinauseilten, sahen sie, wie der kleine Junge mit dem Untier fertig geworden war:
Er hatte ihm eine Silberkugel in den Rachen geschleudert, die seine
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