Die Welt der Kelten
zögerte, warf sie ihm ein Bindfadenknäuel zu und zog damit
das ganze Boot an den Strand. Sie führte die Männer in ihren Palast, in dem für alle Liebesbetten bereit standen. Die Speisen
wurden niemals weniger, und die Seefahrer wähnten sich dort ein Jahr; aber in Wirklichkeit waren in der Menschenwelt viele
Jahre vergangen. Als die Männer Heimweh packte, warnte sie die Fürstin, nicht die Erde Irlands zu betreten.
Schließlich näherten sie sich der heimatlichen Küste, wo sich Menschen versammelt hatten und fragten, wer sie seien und woher
sie kämen. Als dies beantwortet wurde, meinten sie, einen Bran würden sie nicht kennen. Allerdings erzählten sie sich eine
alte Sage von der Seereise eines gleichnamigen Mannes, der niemals zurückgekehrt sei. Ein Begleiter Brans hielt es nicht länger
an Bord und er sprang an Land. Doch dort verwandelte er sich sofort in einen Haufen Staub. Da erkannte Bran, dass er in Irland
dem schnellen Tode geweiht wäre. Er erzählte den Versammelten seine Geschichte und stach wieder in See, ohne jemals wieder
gesehen zu werden.
Wie ihm erging es vielen seiner Nachfolger, die den Weg zu den Wohnstätten der Elfen suchten. Nicht wenige mussten erfahren,
dass für deren Genüsse ein hoher Preis zu zahlen war. Denn während weniger Stunden in der Anderwelt vergingen daheim Jahrhunderte,
und so mancher Rückkehrer zerfiel wie Brans Gefährte zu Staub oder lebte doch zumindest von nun an einsam und arm unter fremden
Menschen.
Dieses Schicksal blühte dem berühmten irischen Helden CúChulainn nicht, auch wenn er erkennen musste, wie gefährlich der Umgang
mit den |200| zauberkundigen Bewohnern der Síd sein konnte. Die Erzählung seines Abenteuers in der Anderwelt schildert die große Versammlung,
die die nordirischen Ulster-Krieger jedes Jahr an den Tagen um das Samain-Fest des 1. Novembers abhielten. Dabei führten sie
ausgiebige Gespräche und vergnügten sich bei Gelagen und Spielen. Aber am liebsten prahlten sie mit ihren Heldentaten und
legten als Beweis angeblich die Zungenspitzen der getöteten Gegner vor. Sprachen sie die Unwahrheit, kehrten sich ihre wundersamen
Schwerter gegen sie selbst. Als sie während dieses Festes auf einem benachbarten See einen an Herrlichkeit unvergleichlichen
Vogelschwarm erblickten, wünschten sich die Frauen diese Tiere.
Daraufhin fuhr CúChulainn mit seinem Streitwagen in den Schwarm, tötete alles mit seinem Schwert und brachte die Vögel zu
der Versammlung – allein für seine eigene Frau blieb nichts übrig. Doch auf einmal gewahrte er zwei weitere Vögel auf dem
See, die durch eine Kette verbunden waren und eine sanfte Melodie sangen. Als das Heer sie hörte, fiel es in einen tiefen
Schlaf. Aber CúChulainn versuchte, die Vögel mit seiner Steinschleuder zu erlegen – zunächst ohne Erfolg. Als er schließlich
einen verletzte, tauchten sie im Wasser unter. Der Held war davon so erschöpft, dass er sich an einen Stein lehnte und vom
Schlaf übermannt wurde. Im Traum hatte er eine Vision von zwei Frauen, die in einem grünen und einem purpurnen Mantel zu ihm
traten. Beide lächelten ihn an, schlugen ihn aber abwechselnd so lange mit einer Pferdepeitsche, bis er halbtot war. Dann
verschwanden sie wieder.
Als CúChulainn aus diesem Traum erwachte, sprach er kein Wort, dabei blieb es ein ganzes Jahr. Am Tag vor dem nächsten Samain-Fest
versammelten sich alle um den schweigenden Helden. Da erschien ein Abgesandter des Feenfürsten und sang ihnen ein Lied, demzufolge
dessen Tochter Fand den jugendlichen Helden begehrte. Dann verschwand der Fremde so unvermittelt, wie er erschienen war. CúChulainn
jedoch erwachte, erzählte seine Vision und erbat sich den Rat von König Conchobar. Ihm folgend, ging er zu der Steinsäule,
an der er in den Schlaf gefallen war. Unverzüglich erschien die Frau im grünen Mantel und gab sich als Lí Ban aus der Anderwelt,
dem »Land der Wonne«, zu erkennen. Er könne die Elfin Fand gewinnen, wenn er mit ihr komme und dem Elfenkrieger Labraid im
Kampf gegen seine Feinde beistehe.
Nach langem Zögern und in Liebessehnsucht nach Fand entschloss sich CúChulainn, in den Síd aufzubrechen. Dort saß der Held
Labraid unter vielen Leuten inmitten seines Feenhügels, umgeben von Massen an Waffen. Besonders schmückte ihn sein langes
gelbblondes Haar, das ein Goldapfel zusammenhielt. Im königlichen Palast standen lange Reihen von Betten, deren Pfosten rot
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