Die Welt der Kelten
verließen sie Irland für immer. Angeblich war es der Zauberer Amorgen,
der die Insel zwischen den Siegern und den Unterlegenen aufteilte. Den Teil unter der Oberfläche Irlands erhielten die Tuatha
Dé Danann; sie gingen in die Hügel und in die Unterwelt, wo sie sich einen König wählten. Auch wenn von nun an die keltischen
Goidelen die grüne Insel beherrschten, so war doch die Macht dieses Dagán genannten Herrschers der Unterirdischen sehr groß.
Die Tuatha Dé Danann hatten nämlich die Gewalt, den Menschen der Oberwelt Korn und Milch zu verderben, bis sie mit ihnen Frieden
schlossen.
Mit der goidelischen Einwanderung ließen die irischen Dichter und Historiker die mythischen Ereignisse ihrer Geschichte enden.
Von nun an siedelten die Kelten auf der Insel und prägten diese auf einzigartige Weise. Aber sie waren nicht deren einzige
Bewohner. In den alten Hügelgräbern und unter den Bergen herrschte das vertriebene Göttergeschlecht der Tuatha Dé Danann,
aus dem die Iren die Elfen und Feen der Anderwelt machten.
Die Anderwelt
Die unter den Iren und Walisern verbreitete Vorstellung einer anderen Welt, englisch
otherworld
, gilt als bekanntestes Motiv keltischer Mythen, Sagen und Märchen, auf das noch immer Schriftsteller und Filmregisseure bevorzugt
zurückgreifen. Ob Festlandkelten wie die gallischen Stämme schon vor 2 000 Jahren daran glaubten, ist nicht sicher. Die Kelten
von den Britischen Inseln jedoch schufen sich das schillernde Bild einer fantastischen Anderwelt, von deren realer Existenz
viele Iren auch noch im 20. Jahrhundert überzeugt waren.
Dabei entwickelten sich über die Jahrhunderte zahlreiche Vorstellungen jener Welt und ihrer Bewohner, die im Deutschen Elfen
und Feen heißen, in Irland aber nach den Síd, ihren Behausungen in den Hügeln, benannt werden, während die Waliser der anderen
Welt den kymrischen Namen Annwfn gaben. Dort wurde aus dem alten Göttergeschlecht das »Volk der Grabhügel« oder »die schöne
Familie«, um nur zwei Bezeichnungen zu erwähnen, an deren Stelle man im Englischen von den
fairies
spricht.
|197| Die Wohnsitze der Elfen und Feen dachte man sich an vielerlei verborgenen Orten: in Bergen und Hügeln, auf dem Grund von Seen
und des Meeres, aber auch auf Inseln weit draußen im Ozean. Aus solchen Vorstellungen ging auch Avalon hervor, wohin der zu
Tode verwundete König Arthur gebracht worden sein soll. Ansonsten war es schwierig, den Zugang zur Anderen Welt zu finden.
Er konnte in einer Höhle versteckt sein, sich in einem Felsspalt verbergen, hinter einem mächtigen Stein liegen oder über
eine einsame Ebene erreichbar sein, über der ein Zaubernebel lag. In Irland kannte man eine regelrechte Geografie der Síd,
die am häufigsten in den vorgeschichtlichen Grabhügeln lokalisiert wurden. In ihnen nahmen die einzelnen Götter der Tuatha
Dé Danann ihren Wohnsitz – so galt das prähistorische Hügelgrab von Newgrange nordwestlich Dublins unter der Bezeichnung Brug
na Bóinne als ursprüngliche Herberge des Dagda, dem später dessen Sohn Oengus folgte.
Die Anderwelt lag folglich weder im Jenseits, noch war es eine schreckliche Hölle. Übliche Umschreibungen wie »Land der Jugend«
oder »Land der Frauen« charakterisieren sie hingegen als einen Ort, an dem geradezu paradiesische Zustände herrschten. Denn
ihre Bewohner verfügten mithilfe druidischer Zauberkünste über Dinge, die die Unterwelt zu einem Schlaraffenland machten:
Dort standen Bäume, die stets voll reifer Früchte hingen, und selbst auf den beliebten Schweinebraten musste nicht verzichtet
werden, weil sich das Fleisch des Tieres stets erneuerte. Darüber hinaus sorgten Kessel mit unerschöpflichem Met für die Wiedergeburt
und ein glückliches Leben, bei dem ein ganz anderer Zeitbegriff herrschte als in der Menschenwelt.
Beide Sphären waren nicht hermetisch voneinander getrennt; es existierte eine Fülle gegenseitiger Kontakte, deren Geschehnisse
zu den Lieblingsstoffen der mittelalterlichen Erzählungen gehörten. Unter anderem konnten sich die Elfen und Feen unsichtbar
machen und zeitweilig ihre Hügel verlassen, um die Oberwelt aufzusuchen. Dies geschah vor allem zu Halloween, in der Nacht
zum 1. November, sodass diese Zeit in den Ruf gefährlichen Geistertreibens kam.
Andererseits fühlten sich auch normale Sterbliche immer wieder vom schönen Volk und seinen prächtigen Behausungen angezogen.
Einen Besuch in der Anderwelt
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