Die Welt der Kelten
Eingeweide durch das Hinterteil riss, und ihn anschließend
gegen einen Stein geschlagen hatte, sodass nun die Überreste des Hundes in zwei Teilen herumlagen. Als der Schmied zu klagen
begann, wer fortan seinen Hof schützen solle, erbot sich der Knabe, diese Aufgabe zu übernehmen, bis ein ebenso starker Wachhund
wieder herangewachsen sei. Auf diese Weise wurde der junge Held zum »Hund des Culann«.
Wenn CúChulainn in Kampfwut geriet, verfiel er bereits als kleiner Junge in seine berüchtigte Wutverzerrung, eine Art von
Raserei, bei der sich ihm |204| niemand in den Weg stellen durfte. Dann begann er an allen Gliedern zu zittern, seine Adern schwollen auf die Größe eines
Kinderkopfes an und ein Auge versank im Kopf, während das andere übergroß heraustrat. Sein Mund verzerrte sich, und das Herz
klopfte so laut wie das Bellen eines Kampfhundes. Auch als er schon dutzendfach Feinde getötet hatte, konnte sich der derart
entfesselte Held nicht beruhigen und musste mehrmals abgekühlt werden.
Zu einem Helden dieses Kalibers gehörte ein früher und dramatischer Kampfestod. Deshalb verwehrte CúChulainn sich nicht der
Schlacht, obwohl ihm üble Vorzeichen wie sein von der Wand fallendes Schwert und drei Hexen am Wegesrand das Ende ahnen ließen.
Während des Kampfes gegen zahlreiche Feinde starben sein Wagenlenker und sein edelstes Pferd, bis den Helden selbst die Erfüllung
einer Weissagung traf: Ein Speer zerriss ihm den Bauch und ließ seine Eingeweide hervortreten. Um aufrecht und bis zum letzten
Atemzug kämpfen zu können, schleppte sich CúChulainn zu einem hohen Stein, an dem er sich mit seinem Gürtel festband und |205| schließlich starb. Wie es sich gehörte, schlugen ihm die Sieger den Kopf ab und nahmen ihn mit sich.
|202| Tiere – Pflanzen – Monster
Den Kelten wird eine besonders intensive Beziehung zur Natur nachgesagt, und ihre Druiden gelten als Weise, die mehr als andere
mit den Geheimnissen ihrer Umwelt vertraut waren. Das moderne Keltenbild ist bewiesenermaßen von neuzeitlicher Romantik geprägt
und hat sehr wenig mit der historischen Wirklichkeit zu tun.Trotzdem entwickelte sich die frühgeschichtliche Kultur in engster
Umgebung ihrer Natur, der sie zahlreiche Motive entnommen hat und religiös verehrte. Gewiss zollte man der Fauna und Flora
der unmittelbaren und wilden Nachbarschaft Respekt und sogar Anbetung. Die keltische Fantasie bediente sich vieler dieser
Lebewesen, um sichVorstellungen von monströsen Ungeheuern zu schaffen. Die vielgestaltige Kunst der La Tène-Zeit stellte derartige
Wesen dar und verschmolz damit Menschen, Tiere und Pflanzen.
Davon abgesehen, gab es offensichtlich erheblich mehrTierdarstellungen als solche von menschengestaltigen Wesen. Ihre Bedeutung
zeigt sich in der Masse von Opfertieren aller Art, mit denen Gottheiten gnädig und günstig gestimmt werden sollten.Diese Götter
und Göttinnen trugen häufig die Beinamen undAttribute der mit ihnen verbundenTiere, manchmal konnten sie sogar deren Gestalt
annehmen. So schien den Kelten das Überwirkliche überall in der Natur anwesend zu sein und seinen besonderen Ausdruck in gewissen
Tieren zu finden.
Dazu gehörte der Hirsch, der damals wie heute als stolzes Wildtier angesehen wurde, das es mit Ehrfurcht zu bejagen galt.Er
schien eng verbunden mit dem Gott Cernunnos zu sein, der sich durch ein Hirschgeweih auszeichnete. Diesen »Behornten« stellte
man häufig dar, was für seine Bedeutung spricht.Wahrscheinlich galt er als ein Herr der Tiere, dessen Macht bei der Jagd und
bei der rituellen Versöhnung |203| mit dem erlegten Tier besonders zu beachten war. Oft hält er ein typisch keltisches Mischwesen in der Hand, eine so genannte
Widderkopfschlange, die vermutlich die dunklen Mächte des Erdreichs symbolisierte. Mit ihrer Begleitung erweist sich Cernunnos
als naturnahe und erdverbundene Gottheit.
Der Bär war zur Zeit der Kelten in Mitteleuropa ein anderes Jagdwild, das man aber bei weitem nicht so intensiv wie den Hirsch
religiös verehrte.Gleichwohl galt er als Tier zweier Göttinnen, die mit ihm dargestellt wurden: Artio und Andarta (»die einen
Bären in sich hat«). Aber das mächtige Raubtier wurde natürlich gefürchtet. Seine Stärke und Tapferkeit dienten dem Krieger
alsVorbild, und in Irland bezeichnete man einen beherzten Kämpfer als Bären.
Ähnliches erzählten sich die Kelten von den angriffslustigen Wildschweinen, derenWut ebenso
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