Die Welt der Kelten
Volksglaubens so begeistert,
dass sie das Werk ins Deutsche übertrugen. Sie sorgten damit für eine weite Verbreitung der Elfenvorstellungen, und beide
Bücher gaben deren Bilder wieder, wie sie noch heute in England, Deutschland und anderen Ländern bestimmend sind.
Die Grimms machen recht genaue Angaben über das Aussehen der Elfen: Sie seien nur wenige Zoll hoch, hätten fast durchsichtige
Körper von einer wunderbaren Schönheit und seien so leicht, dass ihr Gewicht keinen Tautropfen auseinander laufen lasse. Außerdem
trügen sie schneeweiße und silberglänzende Kleidung, wozu sie gern die Blütenglocken des Fingerhuts aufsetzten. Immer seien
sie in großen Gesellschaften anzutreffen, aber gleichwohl den Menschen unsichtbar. Deshalb sei stets Vorsicht geboten, wenn
man über sie spreche. Nur der darum Wissende nehme sie wahr: »Sieht man auf der Landstraße große Wirbel von Staub aufsteigen,
so weiß man, dass sie im Begriffe sind, ihre Wohnsitze zu verändern und nach einem andern Ort zu ziehen, und man unterlässt
nicht, die unsichtbaren Reisenden durch ehrfurchtsvolles Neigen zu grüßen.«
|211| Diese Wohnsitze fänden sich in Steinklüften, Felsenhöhlen und alten Riesenhügeln, wie die Brüder Grimm die Hügelgräber bezeichnen:
»Innen ist alles aufs Glänzendste und Prächtigste eingerichtet, und die liebliche Musik, die zuweilen nächtlich daraus hervordringt,
und noch jeden entzückt, der so glücklich gewesen ist, sie zu hören.« In den Sommernächten der Erntezeit versammelten sich
die Elfen zum Mondschein allerdings auch außerhalb ihrer Behausungen und tanzten an heimlichen Orten wie Bergtälern, Flussufern
und Kirchhöfen. Dort ruhten sie dann gern unter großen Pilzen aus.
Ihre Zaubermacht sei schier unbegrenzt. Sie könnten jede Gestalt annehmen, selbst die Schrecken einflößendste, und in Windeseile
große Entfernungen überbrücken. Darum solle sich ein Mensch nicht von der Freundlichkeit und Grazilität ihres Wesens täuschen
lassen: »Sie lassen sich auch wohl in menschlicher Gestalt sehen oder jemand, der nachts zufällig unter sie geraten ist, teil
an ihren Tänzen nehmen; aber etwas Gefährliches liegt allzeit in dieser Berührung: Der Mensch erkrankt danach und fällt von
der unnatürlichen Anstrengung, da sie ihm etwas von ihren Kräften zu verleihen scheinen, in ein heftiges Fieber. Vergisst
er sich und küsst der Sitte gemäß seine Tänzerin, so schwindet in dem Augenblick, wo seine Lippen sie berühren, die ganze
Erscheinung.«
Andererseits hätten manche Familien ihre eigenen Elfen, denen sie ergeben seien und dafür deren Hilfe erhielten, etwa bei
Krankheiten und in Lebensgefahr. Nach dem Tod fielen die Menschen den Elfen zu und träten in deren Welt ein.
Die Elfen hätten eine lichte, gute und eine dunkle, böse Seite. Diese treibe sie zu heimtückischen und Verderben bringenden
Streichen gegen die Menschen. Denn ihre Schönheit und die Pracht ihrer Wohnungen seien nur ein falscher Schein. Ihre wahre
Gestalt zeige sich dagegen in abschreckender Hässlichkeit. Erblicke man sie einmal am helllichten Tag, so offenbarten sie
ihr altersrunzliges Gesicht, das an einen welken Blumenkohl erinnere.
Wie übel sie einem Menschen mitspielen können, der sie nicht ernst nimmt, zeigt das folgende Elfenmärchen aus der Sammlung
der Brüder Grimm: Es handelt von Caroll O’Daly, einem jungen Burschen aus der Provinz Connaught, der sich durch seine Stärke
und sein prahlerisches Wesen auszeichnete. Niemals zeigte er Furcht und traute sich gar des Nachts auf einen verfallenen Kirchhof
oder einen anderen Platz, wo die Elfen angeblich tanzten. Eines Tages traf er bei einbrechender Nacht in der Grafschaft Limerick
am Fuße des Berges Knockfierna einen Mann auf einem weißen Pferd. Der vertraute ihm an, er reite auf die Bergspitze wegen
des stillen Volkes, den Elfen also. Damit verabschiedete er sich. Doch der junge O’Daly vermutete anderes hinter diesem seltsamen
nächtlichen |212| Ausritt, denn an die Elfen wollte er nicht so recht glauben und Angst vor ihnen hatte er schon gar nicht.
Darum schlich er dem Reiter heimlich hinterher und erreichte nach einem mühsamen Aufstieg einen grünen Rasen auf der Spitze
des Berges. Dort fand er nur das weiße Pferd, das neben einer schwarzen Öffnung friedlich graste. Der Bursche packte einen
schweren Stein und warf ihn hinein – um an der Haustüre zu klopfen und zu sehen, ob die
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