Die Welt der Kelten
Tschechien, nach Böhmen und bis an die Oder. In diesen Gebieten erfolgte die Ausbreitung
allem Anschein nach weniger durch Wanderungen und Stämmeverschiebungen, als durch die Übernahme keltischen Kulturguts. Eine
ertragreichere Bearbeitung des Bodens sowie die angesprochene herausragende Fertigkeit in der Gewinnung und Verarbeitung des
Eisens lockten die Menschen von der portugiesischen Atlantikküste bis an den Rand der eurasischen Steppen, keltische Errungenschaften
anzunehmen. Dabei blieb es nicht aus, dass selbst religiöse Vorstellungen und sogar die Sprache der Kelten zumindest in Teilen
übernommen wurden. Auf diese Weise wurden Nicht-Kelten zu Kelten und trugen zum Jahrhunderte währenden Siegeszug dieser Kultur
bei.
Die heiligen Stätten vom Glauberg
Im 5. Jahrhundert vor Chr. bildete das heutige Hessen eines der keltischen Kerngebiete. An Main und Lahn sowie in der fruchtbaren
Wetterau fanden sich viele bäuerliche Siedlungen und Befestigungswälle, die als Schutz vor Angreifern, aber auch als Sitz
der einheimischen Häuptlinge dienten. Jedoch scheinen sie alle an Macht und Reichtum von einem Fürstengeschlecht übertroffen
worden zu sein, dessen Einfluss vom Neckar im Süden bis zur Werra im Norden, vom Rhein im Westen bis an den Thüringer Wald
im Osten reichte. Das Herz seines Reiches war der Glauberg nordöstlich Frankfurts.
Wer um das Jahr 450 vor Chr. die Ufer des Mains verließ und an Wäldern, Feldern und Dörfern vorbei Richtung Vogelsberg reiste,
der erblickte schon von weitem an dessen Rand den mächtig aufragenden Glauberg. 150 Meter erhob sich sein Plateau über die
Umgebung. In der Höhe hatten die Keltenfürsten wahrscheinlich ihren Sitz errichtet, der mit seinen recht einfachen Bauten
dem des 100 Jahre älteren Hochdorfer Herrschers sehr ähnlich gewesen sein dürfte. Seit Jahrtausenden hatte der vorzeitliche
Mensch diesen auffallenden Berg zum Siedeln benutzt. Insofern sahen sich die Häuptlinge des 5. Jahrhunderts vor Chr. in einer
langen Tradition, als sie das Plateau nach den Notwendigkeiten des Geländes teilweise mit einer Mauer aus Holz, Erde und Steinen
befestigten.
Während schon der Fürstensitz in seiner exponierten Lage jedem Ankommenden die Macht der Glauberger deutlich vor Augen führte,
so |43| musste das, was man am Fuße des Berges erblickte, erst recht Ehrfurcht und Erstaunen wecken. Denn dort erstreckte sich über
Hunderte von Metern ein verzweigtes System von Wällen und Gräben, die offensichtlich nicht der Verteidigung dienten. Über
ihre verwirrende Anzahl wurde der Blick auf einen Weg gelenkt, eine regelrechte Straße, die auf 350 Metern Länge schnurgerade
angelegt war. Sie mündete in einen runden Graben, aus dessen Mitte sich ein Erdhügel erhob. Sein Durchmesser betrug 48 Meter
und er ragte vermutlich 6 Meter empor. Jeder Kelte erkannte ihn als einen der vielen Grabhügel, die seit langem den adligen
Herrschern als letzte Ruhestätte dienten. Diese Herrscher und ihre Ahnen jedoch schienen auf eine Ehrfurcht und Verehrung
gebietende Weise präsent zu sein: Vier gleiche lebensgroße Steinstatuen, die bunt bemalt waren, zierten den Hügel. Sie stellten
Krieger in einem Panzer aus Leinen und Leder dar, die mit der linken Hand einen kleinen ovalen Schild hielten, während die
rechte auf der Brust ruhte. An der rechten Seite trugen sie ein Schwert als weiteres Symbol ihres Kriegertums. Ein Halsring
und eine so genannte Blattkrone zeichneten sie als Herrscher aus. Diese verbreitete fürstliche Kopfbedeckung bestand aus einer
Haube mit zwei seitlichen Ansätzen, die möglicherweise Mistelblätter darstellten.
|44| In einer Grabkammer des Hügels ruhte das verstorbene Vorbild der Statuen, ein etwa dreißigjähriger Mann, der bewaffnet und
mit mehreren Schmuckringen beigesetzt worden war. Eine zweite Kammer barg die verbrannten Überreste eines weiteren Adligen,
der wahrscheinlich ein Verwandter des ersten war, vermutlich sein älterer Bruder. Außerdem errichtete man in der Nähe der
angelegten Straße einen kleineren Grabhügel für einen dritten Krieger. In diesem Umfeld fanden auch ein Kleinkind und eine
Greisin ihre Ruhestätten. Vor allem aber erwies man den Toten des großen Grabhügels herausragende Verehrung, die sich in wertvollen
Beigaben zeigte, darunter eine prächtige, mit Met gefüllte Schnabelkanne, die nach etruskischen Vorbildern von keltischen
Handwerkern hergestellt worden
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