Die Welt der Kelten
politischen, religiösen und gesellschaftlichen Umwälzungen
in der traditionellen Keltenwelt kam. Die Zeit der Fürsten und Fürstinnen vom Typ des Hochdorfer Herrschers war vorüber. Am
Ende dieser revolutionären Vorgänge stand eine neue Aristokratie an der Spitze.
Die Ursachen für den Niedergang der alten Dynastien dürften in wirtschaftlichen Veränderungen zu finden sein. Wie oben dargelegt,
basierte ihre Macht nicht zuletzt auf dem immensen Reichtum, den sie durch die Kontrolle der Verkehrswege und aufgrund der
engen Beziehungen zur Mittelmeerwelt gewannen. Dies zeigte sich in prestigeträchtigen Importgütern, aber auch in kostspieligen
Gelagen und in der ebenso teuren Unterhaltung einer Kriegergefolgschaft. Wenn sich ein Fürst das alles leisten konnte, befand
er sich im Glauben des Volkes mit den göttlichen Mächten im Einklang und war ein Garant für das Wohl der Stammesgemeinschaft.
Für den wirtschaftlichen Niedergang in der Zeit nach 500 vor Chr. waren allerdings weniger die Götter verantwortlich, als
die politischen Geschehnisse am Mittelmeer. Die griechischen Hauptgeschäftspartner der Kelten litten auch in Marseille unter
den Kämpfen des Mutterlandes gegen das persische Großreich, das 490 vor Chr. in der Schlacht von Marathon eine Niederlage
gegen die vereinten Hellenen erlitt. Im Westen konnten sich die Griechen ebenfalls gegen die etruskischen Kontrahenten militärisch
behaupten. Trotzdem war die Zeit der ertragreichen griechischen Handelsrouten durch das Keltenland vorbei.
Zu den Leid Tragenden gehörten in erster Linie die frühkeltischen Fürsten auf ihren Herrschersitzen, deren Reichtümer aus
dem Süden versiegten. Die Etrusker benutzten neue Wege über die Alpen und durch das Barbarenland. Ihre Geschäftspartner fanden
sie in anderen keltischen Gebieten, die sich von der nordostfranzösischen Marne über den Mosel- und Mittelrheinraum sowie
Hessen bis nach Böhmen erstreckten. An den Flüssen und in Mittelgebirgen wie Hunsrück und Eifel residierte der Adel wiederum
in Bergfestungen und bestattete seine Toten in Prunkgräbern. An die Stelle griechischer Importgüter traten solche aus Etrurien,
vor allem große und kunstvoll gestaltete Schnabelkannen aus Bronze.
Die neuen Stammeseliten unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von ihren südlicheren Vorgängern. An die Stelle des vierrädrigen
Wagens, der auch dem Fürsten von Hochdorf als Statussymbol gedient hatte, trat der zweirädrige Streitwagen. Über dessen Verwendung
im Kampf berichten noch ein halbes Jahrtausend später die römischen Geschichtsschreiber von den Britischen Inseln. Für ein
ausgeprägt kriegerisches Bewusstsein der neuen Herrscherschicht spricht weiterhin die Grabbeigabe von Schwertern, |41| Speeren und Helmen, die statt des zierlichen Antennendolches der Hallstattzeit dem Toten mit ins Jenseits gegeben wurden.
DasVerbreitungsgebiet keltischer Stämme und keltischer Kultur
Ihren prägnantesten Ausdruck fand die neue keltische Kultur jedoch in ihrem Kunststil, dessen Motive vor allem Schmuckstücke
und Waffen zierten. Mit seiner fantasievollen Verschmelzung ornamentaler und figurativer Elemente gilt er heute als die auffallendste
und typischste Hinterlassenschaft der Kelten. Diese Kunst wird mit der gesamten Epoche des 5. bis 1. vorchristlichen Jahrhunderts
nach dem Fundort La Tène benannt, der am Neuenburger See in der Westschweiz liegt. Dort existierte offensichtlich ein bedeutender
Kultplatz, an dem man Speere, Schwerter, Schilde und Schmuck in großen Mengen im Wasser als Opfer darbrachte.
Nichts spricht dafür, die Umbruchszeit des 5. Jahrhunderts vor Chr. in Mitteleuropa als Epoche großer Völker- und Stämmewanderungen
anzusehen. Die Fürsten der Hallstattzeit wurden nicht von Völkerlawinen hinweggefegt, sondern von Teilen der eigenen Bevölkerung
entmachtet und beseitigt. Zumeist verödeten ihre Herrschersitze und wurden die Grabhügel geplündert, während in den Dörfern
und Weilern der Nachbarschaft das Leben weiterging. Es begann sogar eine ausgesprochene Blütezeit, in der keltische Siedler
mehr Flächen für den Ackerbau und die Viehzucht gewannen |42| , die sie aus neu gegründeten Siedlungen erschlossen. Ihre sich entwickelnde Kultur breitete sich in der La Tène-Zeit über
weite Teile Europas aus: über den größten Teil Frankreichs, auf der Iberischen Halbinsel, hinüber auf die Britischen Inseln
bis nach Irland sowie ins heutige
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