Die Welt der Kelten
alle Siedlungen auf und brannten
Oppida, Dörfer sowie Bauernhöfe nieder. Was an Getreidevorräten nicht mitgenommen werden konnte, wurde vernichtet. Die Rückkehr
war ausgeschlossen. Eine neue Heimat wollte man im Westen gewinnen, in den weiten Gebieten am Atlantik nördlich des heutigen
Bordeaux. Um sie zu erreichen, musste man nicht nur etliche Stammesgebiete, sondern auch römisches Territorium durchqueren.
Denn der einfachste Weg führte die angeblich 350 000 Menschen mit ihren Wagen und ihrem Vieh durch das Land der Allobroger,
in deren Siedlung Genava (Genf ) eine Brücke über die Rhône führte. Der Nachteil dieses Weges war, dass das Gebiet zur Gallia
Narbonensis gehörte. Und für diese Provinz trug Gaius Julius Caesar als Statthalter die Verantwortung.
Caesar greift in Gallien ein
Der Name dieses römischen Politikers und Staatsmannes ist in die Geschichte eingegangen und blieb im deutschen
Kaiser
und im russischen
Zar
erhalten. Seit 2 000 Jahren gilt er als machtgieriger Staatsmann, skrupelloser Eroberer und Diktator, der das Ende der Republik
einleitete, andererseits aber auch als hervorragender Schriftsteller, genialer Stratege und visionärer Planer des römischen
Weltreichs, dessen Idee sein Adoptivsohn Augustus als Kaiser in die Tat umsetzte.
Caesar stammte aus einer der angesehensten Patrizierfamilien Roms und übte in zwanzig Jahren alle Verwaltungsämter aus, die
einem karrierebewussten jungen Mann der Oberschicht gut anstanden. Allerdings brachten sie ihm nicht das Geld ein, das ein
Politiker investieren musste, etwa für Wahlgeschenke oder Bestechungssummen. Nachdem Caesar 59 vor Chr. mit einem Kollegen
das Konsulat innegehabt hatte und damit der höchste Repräsentant der Republik gewesen war, übernahm er ein Jahr später die
Statthalterschaft in drei Provinzen. Dieses Amt bot üblicherweise die Gelegenheit, endlich an Geld zu gelangen – viele Statthalter
beuteten ihre Provinzen schamlos aus. Doch Caesars Pläne gingen über die bloße Bereicherung hinaus. Er erbat sich die Gallia
Cisalpina, Gallia Narbonensis und Illyricum. Damit verfügte er über die ertragreichen Gebiete in der |77| Po-Ebene und in der Provence. Außerdem blieb er der Hauptstadt Rom möglichst nah, um weiterhin politisch Einfluss zu nehmen.
Gallien zur Zeit der Eroberung durch Caesar
Einem risikobereiten Statthalter boten die gallischen Grenzgebiete überdies viele Möglichkeiten, militärische Erfolge zu erringen
und reiche Beute zu machen. Denn unruhige Keltenstämme boten ausreichend Anlässe, einen Krieg zu führen, Eroberungen zu machen
und Tributzahlungen zu verhängen. Mit derlei Geldern wurde man nicht nur reich, sondern konnte auch seine Popularität unter
den Legionären wie unter dem römischen Volk steigern. Bis heute ist ungewiss, wie weit Caesars Pläne zu Beginn seiner Statthalterschaft
gingen. Offiziell durfte er keinen Krieg außerhalb |78| römischen Territoriums führen, lediglich dessen Grenzen sollten verteidigt werden. Doch dann bot der Zug der Helvetier die
Möglichkeit, an der Grenze der Provincia und im freien Gallien zu intervenieren.
Die Massen der Helvetier und kleinerer Stämme, die sich ihnen angeschlossen hatten, wussten davon nichts. Sie wollten nur
auf dem leichtesten Weg vorankommen. Umso überraschter waren sie, als sie die Genfer Brücke zerstört fanden und am anderen
Rhône-Ufer massive Befestigungswerke erblickten, die von römischen Legionären besetzt gehalten wurden. Caesars Soldaten hatten
ganze Arbeit geleistet: Sie waren in Eilmärschen zum Genfer See gezogen und hatten vor dem schwerfälligen Wagentreck der Kelten
ihr Ziel erreicht. Diese versuchten nichtsdestotrotz, mit eilig gezimmerten Flößen und zusammengebundenen Kähnen den Fluss
zu überqueren. Die Römer vereitelten diese Bemühungen, und der Statthalter Caesar erklärte den Helvetiern, er werde keinen
Durchmarsch über römisches Gebiet dulden. Die keltischen Führer akzeptierten notgedrungen dieses Verbot. Obwohl sie über mehr
als 90 000 Krieger verfügten, wollten sie zu diesem Zeitpunkt keinen Krieg mit Rom anzetteln. Sie entschieden sich für den
beschwerlicheren Weg über das Jura-Gebirge und durch das Gebiet der Sequaner. Deren Erlaubnis hatte der Haeduer Dumnorix,
der alte Verbündete des Orgetorix, für sie ausgehandelt.
Damit hätte sich Caesar zufrieden geben müssen, die Gefahr für die Provinz war abgewehrt. Doch gegenüber Rom
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