Die Welt der Kelten
Hallstattsiedlung herrschte, im Jahr 15 vor Chr. von |104| Roms Truppen erobert und dem Imperium eingegliedert. Auch in diesen Gebieten nahmen die Kelten die römische Kultur an, bewahrten
aber zugleich Teile ihrer eigenen.
Wenig weiß man dagegen vom Ende der keltischen Stämme in den Mittelgebirgen, wohin die Römer nicht vordrangen. Dorthin gelangten
immer mehr Kriegerscharen und Siedlertrecks germanischer Stämme aus dem Norden. Entgegen vieler klischeehafter Vorstellungen
scheinen sie die Kelten nicht überrannt und vertrieben zu haben, wollten sie doch an deren Lebensweise teilhaben. In Böhmen
begründete der Markomannenherrscher Marbod ein germanisches Vielstämme-Reich, in dem auch Kelten lebten. Der mächtige König
residierte in ihren Oppida und übernahm viele Elemente ihrer Kultur. Trotzdem kam es zu einer zunehmenden Verarmung dieser
Gebiete, zu einem Verschwinden keltischer Eigenarten und zu einer letztlichen Germanisierung. Denn die alte keltische Welt
war mit der Eroberung Galliens zusammengebrochen. Sie basierte auf offenen Verkehrswegen und regem Handel zwischen den Oppida,
die, wie oben dargestellt, das Bild weiter Gebiete Europas bestimmten.
Nun herrschte Rom über die Handelswege und teilte schließlich Europa in zwei Welten – in sein Reichsgebiet und in die unterentwickelten
Länder der germanischen Stämme. Dazwischen gab es keinen Platz mehr für die Kelten.
Besonders deutlich zeigten dies die Verhältnisse in Süddeutschland: Im Südwesten entstand nach der Abwanderung der Helvetier
in die Gebiete südlich des Hochrheins eine von den antiken Historikern so genannte Einöde, die kaum noch Spuren menschlicher
Siedlungen aufwies. Weiter östlich kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, Stammeswanderungen und dem Zusammenbruch
der Handelswege und wirtschaftlichen Beziehungen. Darauf weisen die archäologischen Spuren der einstmals mächtigen Keltenstadt
von Manching. Ihr prächtiges Tor wurde ein Raub der Flammen, ihre Befestigungen verfielen zusehends und immer mehr Menschen
verließen das Oppidum. Schließlich kündeten nur noch die Reste der großen Mauer und verfallene Häuser vom vergangenen Ruhm
Manchings.
|105| 4. Römische Städte und keltische Waldheiligtümer – Die gallo-romanische Kultur
Das römische Gallien
»Gallien blüht und gedeiht überall so gut wie Italien selbst.« Die Schiffe fuhren nicht mehr nur auf der Rhône und Saône,
sondern auch auf der Maas, der Loire, auf dem Rhein und sogar auf dem Ozean. Gegenden, an deren bloße Existenz man niemals
geglaubt habe, seien für Rom erobert worden – soweit Marcus Antonius in einem Nachruf auf den 44 vor Chr. ermordeten Caesar,
zu dessen besten Offizieren und engsten Vertrauten er gehört hatte. Wenige Jahre nach der blutigen Eroberung des Keltenlandes
entwarf der Römer ein beschönigendes Bild der Verhältnisse, denn ohne Zweifel lag das riesige Gebiet zutiefst erschöpft darnieder.
Doch in der Tat sollte es nur wenige Jahrzehnte währen, bis sich die Situation der Gallier durchaus mit der Italiens vergleichen
ließ.
Den Anfang machte im Jahr 27 vor Chr. Kaiser Augustus, der neben der bereits bestehenden südfranzösischen Provincia Narbonensis
drei neue Provinzen einrichtete: Aquitanien, Belgien und das alte keltische Hauptland, das nach seiner Hauptstadt Lugdunum
(Lyon) benannt wurde. Dort hatte man am Zusammenfluss von Rhône und Saône eine römische Kolonie gegründet. Sie beherbergte
nicht nur den zentralen Tempel für die Göttin Roma und den vergöttlichten Augustus, sondern auch den Landtag der Provinz,
in dem Delegierte von 60 Stämmen zusammenkamen. Allerdings repräsentierten sie nicht das ganze Volk; in der Versammlung Galliens
trafen sich lediglich die Adligen der traditionellen Führungsschicht. Denn ihnen gewährte der Imperator eine Fülle von Privilegien
und Gunsterweisen, insofern sie sich loyal verhielten. In diesem Fall wurden ihnen sogar wichtige Ämter in der Provinzialverwaltung
anvertraut. Diese Bevorzugung war der entscheidende Grund, dass sich die meisten Angehörigen der gallischen Stammesaristokratien
am rasantesten der römischen Zivilisation öffneten. Indem man seine Söhne auf die überall im Land gegründeten Lateinschulen
schickte, beförderte man diesen Prozess der Romanisierung.
Schließlich erhielten fast ein Jahrhundert nach der Eroberung Galliens die Adligen der Haeduer die vollen römischen Bürgerrechte,
womit
Weitere Kostenlose Bücher