Die Welt der Kelten
Zeichen himmlischen Zorns
zu verstehen und der Besitz der Welt sei den jenseits der Alpen wohnenden Völkern verkündet. So lauteten die »eitlen, abergläubischen
Prophezeiungen der Druiden«, wie Tacitus sie nennt.
Der Martberg oberhalb der Moselorte Pommern und Karden (hier eine Rekonstruktion des typischen gallo-römischen Umgangstempels)
gilt als herausragendes Beispiel dafür, wie eine keltische Kultstätte über ein halbes Jahrtausend fortbestand.
In Gallien herrschte demzufolge durchaus eine antirömische Stimmung, deren herausragender Vertreter der Treverer Julius Classicus
wurde. Dieser Offizier einer treverischen Reiterabteilung, die zu den regulären römischen Truppen gehörte, stammte aus einem
königlichen Geschlecht. Deshalb zeichnete er sich vor den meisten durch seine hohe Herkunft und seinen Reichtum aus. Seine
Vorfahren hatten erbittert gegen Rom gekämpft, wessen sich der Gallier angeblich gern rühmte. Was immer er beabsichtigt haben
mag, jedenfalls knüpfte er Kontakte mit Männern der Treverer und |110| des Lingonenstammes, dessen Gebiet an der Marne lag. Außerdem tauschte er mit dem Bataver Julius Civilis Botschaften aus,
die gewissermaßen die Korrespondenz zweier Offiziere in römischen Diensten darstellten.
Darüber hinaus verhandelten auch Privatleute über das weitere Vorgehen, und man kam in der römischen Ubierstadt Köln zu geheimen
Gesprächen zusammen. Neben der Mehrzahl der Treverer und Lingonen waren einige Ubier und Tungrer anwesend. Auf der tumultösen
Versammlung riefen die Anführer der Verschwörer dazu auf, die Alpenpässe zu besetzen und loszuschlagen – jetzt, wo in Rom
selbst gekämpft werde. Dem entsprach man und beschloss, bisher gegnerische Verbände auf die eigene Seite zu ziehen. In alle
Teile Galliens wurden Geheimboten entsandt, um weitere Verschwörer zu gewinnen.
In der Nähe des Römerlagers Vetera bei Xanten am Niederrhein schlossen Classicus und Civilis ein Abkommen zwischen gallischen
und germanischen Verbänden. Den Römern fiel auf, dass sich die Gallier eigene Lager errichteten und sich dorthin zurückzogen.
Die Revolte lag in der Luft, daher sah sich der römische Befehlshaber Vocula zu einer Reaktion veranlasst. Er betonte, Roms
Macht sei immer noch stark genug, um die Feinde in einer einzigen Schlacht zu unterwerfen. Dieser undiplomatische Appell zeigte
keinen Erfolg. Darum zogen sich die Römer in das befestigte Neuss zurück, während die Gallier in der Nähe ihr Lager aufschlugen.
Was dann folgte, nennt Tacitus eine »Schandtat«; Offiziere wie Mannschaften seien zu den Galliern übergelaufen und hätten
sich kaufen lassen. Schließlich wurde Vocula ermordet – angeblich auf Anweisung des Classicus, der in das Römerlager mit den
»Abzeichen eines römischen Oberfeldherrn« kam. Alle verpflichteten sich nun der »Herrschaft Galliens«, und von Köln bis Mainz
legten die Truppenverbände den gleichen Eid ab. Wer sich dem verweigerte, wurde weiterhin von den Soldaten des Civilis und
Classicus belagert.
Schließlich befanden sich große Teile Nordostgalliens und das Rheinland in germanischer und gallischer Hand. Der Bataver Civilis
hatte das zwischenzeitlich eroberte Lager Vetera zu seiner Zentrale gemacht, während der mit ihm verbündete Treverer Julius
Classicus in seiner Heimatstadt Trier regierte. Obwohl sich beide Anführer für den endgültig in Rom herrschenden Kaiser Vespasianus
erklärt hatten, ließ dieser ein großes römisches Heer an Rhein und Mosel aufmarschieren. Für ihn stellten sie unberechenbare
Partner dar, die nicht unter Roms Kontrolle waren. Deshalb setzte der Imperator sechs Legionen aus Italien, Spanien und Britannien
in Bewegung, zu deren Oberbefehlshaber er seinen Verwandten Petilius Cerialis ernannte.
Den konzentrierten römischen Kräften standen Gegner gegenüber, die sich in wenigem einig waren. Allein unter den gallischen
Aufständischen |111| machte sich Zwietracht wegen der Frage breit, welcher Mann und welcher Stamm die Führung übernehmen sollte. Andere wie die
Sequaner beteiligten sich überhaupt nicht an dem Plan eines gallischen Reiches und fügten dessen Truppen sogar eine Niederlage
zu. Darüber hinaus konnten sich die führenden Bataver und Treverer nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen – Civilis
zog durchs unwegsame Belgerland, während sich Classicus »meistens dem faulen Nichtstun hingab«. Nachdem seine Treverer an
der Nahe
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