Die Welt der Kelten
Verhalten der Römer. Auf diese Weise
gewannen sie eine große Zahl von Anhängern, mit denen sie unter anderem an der Loire und in den Ardennen losschlugen.
Während Florus rasch besiegt wurde, besetzte Sacrovir im Gebiet der Haeduer die Stadt Autun, deren Lateinschule das höchste
Ansehen genoss und dementsprechend zahlreiche junge Männer beherbergte. Die Aufständischen versuchten sie für ihre Sache zu
gewinnen oder zumindest – nach den Angaben des Tacitus – als Geiseln zu nehmen, um gegen deren vornehme Familien ein Druckmittel
zu haben. Doch auch dies nützte Sacrovir nichts; denn letztlich verfügte er über zu wenig gut ausgerüstete Soldaten. Die meisten
seiner Anhänger waren lediglich mit Jagdwaffen versehen und konnten gegen die römischen Legionäre nichts ausrichten. Darum
endete der Aufstand mit dem Selbstmord des Anführers und der Niederlage seiner Anhänger. Zu keinem Zeitpunkt war er wie ein
Flächenbrand über Gallien gerast; letztendlich blieb er auf wenige lokal gebundene Aktionen beschränkt.
|108| Der Bataveraufstand – Gallier und Germanen gegen Rom
Fast vier Jahrzehnte später befand sich das Imperium Romanum in einer ernsten Krise, von der auch Gallien und das Rheinland
betroffen waren. Tacitus schildert in bewegten Worten den Niedergang des Reiches, der seinen Ausdruck fand in einer Fülle
von Unglücken und blutigen Kämpfen, in Zwietracht und Hass, in Aufständen, Kaisermorden und regelrechten Bürgerkriegen. Der
bis heute als Mutter- und Gattinnenmörder, Brandstifter Roms und Christenverfolger verschriene Kaiser Nero hatte entscheidend
zu dieser Situation beigetragen. Sein Despotismus weckte im Senat wie in den Provinzen den Widerstand, der 68 nach Chr. zum
offenen Aufstand der Legionen in Spanien, Nordafrika und Gallien führte. Nachdem der spanische Statthalter Servius Sulpicius
Galba zum Gegenkaiser ausgerufen worden war und unter den führenden römischen Politikern große Unterstützung erfuhr, nahm
sich Nero das Leben. Doch damit fanden die schlimmen Zustände in Rom und den Provinzen noch lange kein Ende. Die ausbrechenden
Kämpfe um den Kaiserthron brachten eine schnelle Folge von Herrschern mit sich, deren Anzahl das so genannte Vier-Kaiser-Jahr
69 verdeutlicht. Aus diesen Auseinandersetzungen ging letzten Endes Titus Flavius Vespasianus, der Befehshaber im Osten des
Imperiums, als Sieger hervor, während seine drei Vorgänger alle einen gewaltsamen Tod erlitten. Der neue Kaiser musste sich
sofort dem Norden des Reiches widmen, denn Teile Galliens und das ganze Rheinland befanden sich in hellem Aufruhr.
Eine Schlüsselrolle spielte dabei ein Germane namens Julius Civilis, der als hoher Offizier in römischen Diensten Hilfstruppen
seines Bataverstammes befehligte. Mit ihnen war er in die Machtkämpfe um den Kaiserthron verwickelt, wobei sich der Unmut
der Soldaten auch generell gegen die Herrschaft in Rom richtete. Ihrem Aufstand fielen große Teile des Verteidigungssystems
am Rhein zum Opfer, fast kein Legionslager oder Kastell blieb ungeschoren. Die
Historien
des Tacitus sind die einzige schriftliche Quelle über die oft schwer zu überblickenden Ereignisse der Jahre 69 und 70.
Dem Aufstand der Bataver schlossen sich überraschend gallische Stammesgruppen an, obwohl sie sich wegen der ihnen verliehenen
Bürgerrechte und Steuererleichterungen Rom hätten verpflichtet fühlen müssen. Doch die Unruhen und Kämpfe um den Sturz Neros
und das folgende Vier-Kaiser-Jahr hatten längst auf Gallien übergegriffen – Verwüstungen römischer Soldaten und Massaker unter
einigen Stämmen waren die Folge. Darum meldeten sich wahrscheinlich Stimmen gegen die Herrschaft Roms zu Wort, von denen Tacitus
behauptet, sie hätten sich für eine nationale Erhebung ausgesprochen. Immerhin registrierte man genau, was in der |109| Hauptstadt des Imperiums geschah. Dort waren die Straßen »voll von Erschlagenen, blutbefleckt die öffentlichen Plätze und
die Tempel«. Schließlich war sogar das altehrwürdige Kapitol in Brand geraten, das Herz der Stadt und der Tempel der höchsten
Götter. Dieses Geschehen sah man als ungeheuerliches Fanal einer Zeitenwende an: Der Brand des Kapitols sei ein Zeichen, dass
das Ende des Römischen Reiches gekommen sei. Einst sei die Hauptstadt zwar von den Galliern erobert worden; aber da Jupiters
Sitz unzerstört geblieben sei, habe das Reich weiter bestanden. Jetzt sei das Feuer des Kapitols als
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