Die Welt der Kelten
vermutlich »Kämpfer« bedeutete. Unter dieser Bezeichnung sammelten sich bis
ins 5. Jahrhundert immer wieder desertierte Soldaten, verarmte Landarbeiter und entlaufene Sklaven, die teils Verbesserungen
ihrer Situation forderten, teils als Räuberbanden das Land unsicher machten. Größere Erfolge konnten die ziellosen Scharen
nicht verzeichnen – mit Ausnahme der Aremorica. In der späteren Bretagne wehrten diese sich gegen germanische Eindringlinge
und vertrieben die römischen Beamten gleich mit. Damit legten sie wahrscheinlich einen gewichtigen Grund für die spätere Einwanderung
keltischer Bevölkerungsteile, die von den Britischen Inseln kamen.
|113| Die gallo-römische Zivilisation
Bis zum Ende des Imperium Romanum im 5. Jahrhundert, dessen unmittelbare Nachfolge die oströmischen Kaiser Konstantinopels
und mehrere Germanenreiche antraten, waren die gallischen Provinzen ein loyaler und sicherer Bestandteil seiner Herrschaft.
Dafür sprach allein der fortgeschrittene Grad der Romanisierung, der römische Gelehrte von der Provence sagen ließ, sie ähnele
Italien mehr, als dass sie eine eroberte Provinz sei. Die römische Kultur mit ihren wirtschaftlichen und politischen Vorteilen
schloss den Wunsch nach einer Wiedergeburt des »barbarischen« Gallien so gut wie aus. Das bedeutete jedoch nicht, dass gewisse
Überlieferungen und Erinnerungen aus der keltischen Zeit nicht weiter gepflegt wurden. Die römische Toleranz gegenüber dem
Privatleben der Untertanen ermöglichte regionalen Eigenheiten innerhalb des Reiches freie Entfaltung. Darum wurde Gallien
über Jahrhunderte zutiefst römisch geprägt und brachte zugleich eine so genannte gallo-römische Zivilisation hervor, die manches
keltische Erbe bewahrte und weiter entwickelte.
Ganz offensichtlich zeigte sich dies in der Verwaltungsgliederung, die sich an den gallischen Stammesgebieten orientierte.
Deshalb bewahrten deren Bewohner das Bewusstsein ihrer alten Stammeszugehörigkeit und sahen sich nicht nur als römische Bürger,
sondern beispielsweise auch als Haeduer, Sequaner, Remer oder Treverer. Als in der Spätantike die Macht Roms schwächer wurde
und man verstärkt auf eigene Traditionen zurückgriff, verdrängten sogar die alten Stammesnamen die römisch geprägten Namen
vieler Städte: Lutetia benannte man nach den Parisiern Paris, Durocortorum wurde nach den Remern Reims genannt, Autricum erhielt
den Namen der Karnuten und hieß seitdem Chartres.
Die Menschen erinnerten sich nicht nur der keltischen Namen, sie sprachen ebenso noch lange Gallisch. Obwohl das Lateinische
schon bald dominierte, scheint doch in breiten Bevölkerungskreisen und besonders auf dem Land das alte Idiom weiterhin benutzt
worden zu sein. So berichtete der christliche Bischof Irenaeus von Lyon am Ende des 2. Jahrhunderts, er müsse in seiner Diözese
auf Gallisch predigen, sonst werde er von seinen Gemeinden kaum verstanden. Und noch 200 Jahre danach schrieb der schon erwähnte
heilige Hieronymus von der treverischen Sprache in Trier, an die ihn das Galatische Kleinasiens erinnerte. Dass selbst der
römische Staat die alten Sprachgewohnheiten akzeptieren musste, belegen die höchstoffizielle Anerkennung von Testamenten,
die in keltischer Sprache verfasst wurden, ebenso wie die mit lateinischen Buchstaben geschriebenen gallischen Weiheinschriften.
Doch letztendlich konnte sich das Keltische gegen das Übergewicht des Romanischen nicht behaupten. Als um 500 die germanischen
Franken die neuen Herren Galliens wurden, |114| dürfte dessen alte keltische Sprache kaum noch gesprochen worden sein. Darum hat sie im Französischen nur wenige Spuren hinterlassen.
Über die materiellen Zeugnisse der keltischen Kultur im Gallo-Römischen wurde viel gemutmaßt, so über spezifische Ausprägungen
in der kunsthandwerklichen Ornamentik. Am greifbarsten wird dieser Einfluss in der Tracht: Wenn der Gallier unter Roms Herrschaft
neben den gebräuchlichen Hosen auch zur römischen Toga griff, so verwendete er doch weiterhin ebenso den Kapuzenmantel, der
aus einem Umhang mit angenähter Kopfbedeckung bestand. Er wurde geradezu zum Kennzeichen gallo-römischer Alltagskleidung.
Die wohlhabenden Gallierinnen bevorzugten außerdem den traditionellen Schmuck des Torques-Halsrings und eines Fibelpaars,
die man schon seit etlichen Jahrhunderten kannte und schätzte.
Selbst in der Architektur schufen sich die Gallier respektive Gallo-Romanen
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