Die Welt der Kelten
die asketischen Brüder in ihren Mönchszellen
prächtige Bücher schrieben und zum Lobe des Herrn mit wunderbaren Illustrationen schmückten. In Irland rotteten die Mönche
das keltische Heidentum nicht mit Stumpf und Stiel aus, sondern sie übernahmen wichtige traditionelle Vorstellungen in die
neue Religion. Damit bewahrte man bei allen zeitbedingten Veränderungen eine Vielzahl keltischer Relikte, für die die irische
Kultur berühmt ist.
|138| Mönche, Missionare und heilige Frauen – Das Christentum in Irland
Irland, die abgelegene Insel am Rand Europas, entwickelte sich im frühen Mittelalter zu einem christlichen Land, dessen Missionare
in vielen Teilen des Abendlandes tätig wurden. Das Festland ehrte das letzte keltische Refugium mit dem Titel der »Insel der
Heiligen und Gelehrten« – was auf den ersten Blick durchaus befremdlich wirkt. Denn die grüne Insel stellte bekanntlich keine
»Insel der Seligen« dar, sondern erwies sich als zersplitterte Stammesgesellschaft, in der Krieg an der Tagesordnung war.Trotzdem
gelang es den ersten christlichen Sendboten, Fuß zu fassen und ihren Glauben unter den rauen Kelten durchzusetzen.
Der Mann, der damit den entscheidendenAnfang machte, war der heilige Patrick, bis heute hoch verehrter Apostel und Schutzpatron
Irlands. Der Sohn einer romanisierten britannischen Familie wurde als 16-Jähriger zu Beginn des 5.Jahrhunderts ein Opfer der
politischen Verhältnisse. Nachdem Rom seineTruppen von den Britischen Inseln abgezogen hatte, nutzten irische Seeräuber die
Chance, ungestraft auf Beutezug zu gehen. Dabei fiel ihnen der junge Patrick in die Hände: Er wurde nach Irland verschleppt
und musste als Sklave Schafe hüten. Nach einigen Jahren gelang ihm die Flucht.Der Legende nach hatte er später dieVision,
Irland für das Christentum zu gewinnen. Im Auftrag des Papstes kehrte er als Missionsbischof um 435 auf die Kelteninsel zurück
und gründete in deren Norden die Kirche und das Erzbistum vonArmagh, das zum kirchlichen Zentrum Irlands werden sollte.Wenn
Patrick auch sicherlich nicht der erste Christ auf der Insel war, so verhalf er der neuen Religion doch zum Durchbruch.
Der Erfolg der irischen Geistlichen hing offensichtlich mit ihrer Anpassung an die gegebenen Verhältnisse zusammen. Denn das
keltische Heidentum nahm ein |139| schnelles Ende,und an seine Stelle traten die Priester mit ihren Lehren. AllerWahrscheinlichkeit nach lösten sie die Druiden
ab und übernahmen deren Aufgaben in der Stammesgesellschaft. Jedenfalls wurden die christlichen Kleriker von den Clanchefs
und Kleinkönigen akzeptiert – keiner von ihnen musste den Märtyrertod erleiden.
Darüber hinaus nahm die irische Kirche ganz eigene Formen an, indem an die Stelle der Bischofssitze Klöster traten, die sich
bald über die ganze Insel verteilten. Ihre Äbte, häufig eng mit den Häuptlingen versippt, stellten zunehmend eine gewichtige
Macht dar.Weil es keine städtischen Siedlungen gab, nahmen die Klöster die Bedeutung wirtschaftlicher Zentren an, in denen
der Handel gedieh.Schließlich wurden sie zu Eigentümern immer größerer Ländereien, die zu ihrem anwachsenden Reichtum beitrugen.
Davon legten Klosterschätze wie der von Armagh ein beredtes Zeugnis ab.
Allerdings wirkte sich dieser Reichtum vorerst nicht auf das vorherrschende Mönchsideal aus, das im Gegenteil von einem Zug
asketischer Strenge geprägt wurde.Wer gegen deren Gebote verstieß, musste mit strengen Bußen rechnen. Viele Brüder gingen
noch weiter und suchten als Eremiten die völlige Weltabgeschiedenheit, die sie oft auf den kleinen felsigen Eilanden vor der
Küste fanden und die einige mit ihren Booten bis nach Island trieb. Der berühmteste jener frommen Reisenden wurde der heilige
Brendan, der nach der Sage übers Meer ins Land der Verheißung kam – was an die Fahrten in die Anderwelt erinnert.
Seit dem 6.Jahrhundert suchten irische Mönche zuerst die Britischen Inseln und dann das Festland auf, um dort GottesWort zu
verkünden. Als erster dieser emsigen Missionare gilt Columban, der die schottischen Pikten christianieren wollte und dafür
auf der Hebrideninsel Iona ein Kloster gründete. Ihm folgten Gründungen |140| in Schottland und England, die den wachsenden klerikalen Einfluss der Iren verdeutlichten. Schließlich entstanden auch auf
dem Festland immer mehr der so genannten Schottenklöster – nach der damals üblichen Bezeichnung für die
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