Die Welt der Kelten
Iren. Zu den bedeutendsten
gehörten Luxeuil in Burgund und Bobbio in der Lombardei, deren Gründer ein jüngerer Columban war. Aus der Vielzahl irischer
Missionare seien zudem der im Schweizer St. Gallen wirkende Gallus und der in Würzburg verehrte Kilian genannt. Sie verdeutlichen
heutzutage die fortbestehende Erinnerung des irisch-christlichen Erbes in Europa.Dass die Mönche von der grünen Insel zu den
gebildetsten Europäern ihrer Zeit gehörten, belegt außerdem die Tatsache ihrer Beliebtheit am Hofe Karls des Großen. So mancher
Lehrer der berühmten Aachener Hofschule stammte aus Irland.
Asketische Frömmigkeit und Gelehrsamkeit sind zwei Aspekte des Christentums irischer Art; ein anderer ist die Umdeutung heidnisch-keltischer
Motive, die unter der Bevölkerung beliebt waren. Ihr herausragendstes Beispiel bietet dieVerehrung Brigits, der berühmtesten
Heiligen Irlands. Ihr wurde die Gründung des südostirischen Klosters Kildare nachgesagt und der damit verbundene Kult verbreitete
sich später auch auf dem Festland. Hier wie dort rief man sie bevorzugt als Schutzheilige des Ackerbaus und desViehs an, was
sich an ihrem Festtag zeigte – dem 1. Februar. An diesem Tag feierte man nach dem alten irischen Kalender Imbolc, den Frühlingsanfang.
Der Brigitkult knüpfte dementsprechend an die vorchristlichen Bräuche an. Er nahm zudem Züge einer gleichnamigen heidnischen
Göttin auf, die als Tochter des Gottes Dagda galt. Derart verknüpfte sich der christliche Glaube mit zahlreichenTraditionen
der alten Religion. Die Iren konnten sie weiter pflegen und trotzdem rechtgläubige Christen sein.
|142| Das dunkle Zeitalter
Britannien war wie viele römische Provinzen im 4. Jahrhundert zunehmend Überfällen und Raubzügen fremder Völker und Kriegerscharen
ausgesetzt – die Iren landeten an der Westküste, die schottischen Pikten fielen im Norden ein und schließlich die germanischen
Sachsen im Südosten Englands. Die Herrschaft Roms geriet überall ins Wanken, weil Wirtschaftskrisen und Kämpfe zwischen kaiserlichen
Thronanwärtern das Reich von Innen schwächten, während das Reitervolk der Hunnen und unzählige germanische Stämme gegen seine
Grenzen anrannten. Die Teilung in West und Ostrom besiegelte das Ende des alten Imperiums, zu dessen eigentlichen Herrschern
germanischstämmige Kriegsherren wurden. Kaiser Honorius, der oberste Herr des Westens und damit auch der Provinz Britannien,
verließ sogar die Hauptstadt Rom und bezog in Ravenna seine Residenz, wo er sich inmitten der Sümpfe des Po-Deltas sicherer
fühlte.
Wie konnte ein derart geschwächter Imperator den Menschen jenseits des Ärmelkanals Hilfe gewähren, als sie ihn verzweifelt
darum baten? Denn die Überfälle der Iren und Pikten hatten immer bedrohlicher zugenommen, je mehr römische Truppen von der
Insel abgezogen wurden. Der britannische Geschichtsschreiber Gildas schildert die Not seiner Vorfahren folgendermaßen: »Aufgrund
der Angriffe und der schrecklichen Verwüstungen schickte Britannien Gesandte nach Rom, die unter Tränen um die Entsendung
einer bewaffneten Schutztruppe baten und dafür eine unverbrüchliche und von ganzem Herzen kommende Unterwerfung unter die
römische Herrschaft versprachen, wenn es nur gelänge, die Feinde in größerem Abstand zu halten.« Doch auf Dauer konnte ihnen
Rom respektive Ravenna keine Legionäre oder Hilfstruppen mehr schicken. Man sah sich sogar gezwungen, die Provinz Britannien
militärisch aufzugeben, und zog um das Jahr 410 die letzten Legionäre ab. Kaiser Honorius schrieb Briefe an die britannischen
Städte, in denen er sie aufforderte, für sich und ihre Sicherheit künftig selbst Sorge zu tragen.
Wohl kein anderes römisches Gebiet wurde so abrupt und drastisch jeden Schutzes beraubt. Ein Land, das über Jahrhunderte tief
von der römischen Zivilisation geprägt worden war, sah sich vor dem Abgrund des Chaos und der Anarchie. Damit begann auf der
britischen Hauptinsel eine Epoche, die man wegen des Fehlens schriftlicher Quellen als
dark age
, das »dunkle Zeitalter«, bezeichnet. In den folgenden 200 Jahren gab es nur wenige Informationen über die Ereignisse in der
im Stich gelassenen Provinz. Umso mehr sollten sich die Nachfahren jener Zeit annehmen und in ihr die Quelle für Mythen, Sagen
und Legenden sehen.
Die historischen Fakten sind dünn: Anscheinend »rüsteten sich die Männer aus Britannien, setzten ihr eigenes Leben
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