Die Welt der Kelten
Abteiruinen den Ort dar, an dem vorgeblich Arthurs Gebeine gefunden
wurden. |157| Mit dem benachbarten Hügel gilt er vielen nicht nur als uralte magische Stätte, sondern auch als erste christliche Gemeinde
Britanniens. Hierher wurde der Legende nach der Gral aus dem Heiligen Land gebracht. Außerdem setzt man Glastonbury seit alters
her mit jener Insula Avalonis gleich, wohin Arthur nach der Schlacht mit Mordred kam. Darum will mancher mit dem Ort in Somerset
alte keltische Vorstellungen der Anderwelt verbinden. All die reichen Legenden um Arthur und den Gral bewirken, dass Glastonbury
bis heute eine der populärsten Stätten der Keltenwelt geblieben ist.
Doch wem an wissenschaftlichen Fakten gelegen ist, dem kann mit Gewissheit nichts geboten werden. Der Name Arthurs und seiner
Welt ist vielerorts auf den Britischen Inseln greifbar, aber genauerem Nachfragen entzieht sich der Held gleich einem Phantom.
Einig ist man sich zumindest in der erwähnten Feststellung, hinter der Figur des Königs eine historische Person des so genannten
dunklen Zeitalters zu sehen. Für manche verbirgt sich dahinter ein römisch-britannischer Reitergeneral, der mit seiner Kavallerie
die zu Fuß kämpfenden Sachsen davonjagte. Für andere war Arthur ein Stammesfürst des Grenzgebiets zwischen England und Schottland,
der 542 am Hadrianswall seine letzte Schlacht schlug und sich auf die Insel Man zurückzog. Wieder andere sehen in ihm einen
durchaus mächtigen britannischen Herrscher, der unter der Bezeichnung Riothamus (»höchster König«) sogar von Geschichtsschreibern
des Festlands erwähnt wird. Nach ihnen unternahm er um 470 einen Feldzug nach Gallien, wo sich seine Spuren kurz vor der burgundischen
Stadt Avalon verlieren – woraus in der sagenhaften Überlieferung die geheimnisvolle Insel Avalon geworden sein soll.
Letztendlich bleibt die Suche nach dem historischen König Arthur Glaubenssache. Wer auch immer er gewesen ist, den bedrängten
Kelten in ihren Randgebieten blieb die Erinnerung an eine dunkle Zeit, in der ihnen gleichsam eine rettende Lichtgestalt erschienen
war. In den Erzählungen des Volkes und in den kunstvollen Dichtungen der Barden entwickelte sich daraus eine Sagengestalt,
die mit alten und jungen Motiven der keltischen Vorstellungswelt verknüpft wurde.
Merlin – Prophet und Zauberer
Die faszinierendste und rätselhafteste Gestalt der Dichtungen um König Arthur ist dessen weiser Ratgeber Merlin, der heute
oftmals als bekannteste Personifikation eines keltischen Druiden gilt. Mehr noch als Arthur selbst umgibt ein wahrer Zaubernebel
seine Figur und ihre Ursprünge, deren geheimnisumwitterte |158| Konturen auch unter modernen Autoren ein beliebtes Thema sind.
Wiederum entwirft Sir Thomas Malorys
Le Morte Darthur
ein bezeichnendes Bild des Magiers: Nie ist er zu fassen, stets taucht er unvermittelt auf und verschwindet auf eben solche
Weise. Hinter jeder Person kann er sich verbergen; einmal tritt er als Bettler auf, dann wieder als Jäger, der ganz in schwarze
Schafspelze eingemummt ist, große Stiefel und einen rotbraunen Umhang trägt, einen Bogen und Pfeile mit sich führt und Wildgänse
in der Hand hält. Die Gestalt eines 14-jährigen Knaben tauscht er mit der eines 80-jährigen Greises und sorgt damit bei vielen
für Verwirrung und Misstrauen. Sie nennen ihn einen »Hexenmeister«, vor dem man sich hüten müsse, denn er – der Teufelssohn
– wisse alle Dinge durch vom Teufel verliehene Künste. Die verrufene Magie setzt Merlin bereits ein, als er Uther Pendragon
eine andere Gestalt gibt und damit die Zeugung Arthurs ermöglicht. Diesem wird er schließlich ein wichtiger Ratgeber und Helfer
in mancher Not.
Doch Malorys Merlin hat auch menschliche Schwächen, die ihm zum Verhängnis werden. Er entbrennt in heißer Liebe zur Dame vom
See, die als geheimnisvolle Feengestalt unter Namen wie Nimue oder Viviane in vielen Dichtungen auftritt. Sie umgarnt und
betört ihn, um seine Zaubermacht zu brechen. Und so geschieht es einmal, dass Merlin ihr einen Felsen zeigt, der ein großes
Wunder birgt und einen Zauberbann auf denjenigen legt, der unter einen mächtigen Stein geht. Mit verführerischen Worten erreicht
die Dame vom See, dass Merlin unter diesen Stein tritt, um ihr das Wunder vorzuführen. Dann bewirkt sie mit ihrer Magie, dass
er trotz aller seiner Künste, die ihm zu Gebote stehen, nicht mehr unter dem großen Stein hervorkommen kann.
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