Die Welt der Kelten
abhalten, ihnen einen Zauberkessel und andere
Schätze zu rauben. Derartige Geschichten schrieb man während des Mittelalters in Handschriften nieder, die solch poetische
Bezeichnungen wie
Das Rote Buch des Hergest
(
Llyfr Coch Hergest
) und
Das Weiße Buch des Rhydderch
(
Llyfr Gwyn Rhydderch
) trugen.
Darin findet sich unter anderem die Erzählung
Culhwch und Olwen
, die wahrscheinlich die altertümlichste Dichtung ist, in der Arthur eine Rolle spielt: Sein Vetter Culhwch kommt an seinen
Hof und bittet ihn um Hilfe. Denn dessen Stiefmutter hat ihm in einem Schwur auferlegt, als erste Frau die Riesentochter Olwen
zu gewinnen. Erst Arthurs besten Kriegern gelingt |153| es, den Vater der Riesin aufzuspüren und – unter Lebensgefahr – seine Bedingungen zu vernehmen. Als Brautpreis fordert er
von Culhwch, ihm den Bart zu scheren. Dazu benötigt dieser allerdings so viele wundersame Gegenstände, dass er an die 40 Aufgaben
erfüllen muss, von denen jede einzelne kaum lösbar scheint. Im Mittelpunkt der Riesenwünsche steht der gigantische Eber Twrch,
ein verzauberter König, der als besondere Kleinodien Kamm, Rasiermesser und Schere mit sich führt.
Im Folgenden bricht Arthur mit seinen Gefährten auf, um die geforderten Wunderdinge zu finden und zu erbeuten. Am schlimmsten
wird der Kampf mit dem riesigen Eber, der mit seinen sieben Jungen schon große Teile Irlands verwüstet hat. Der König setzt
mit den Kriegern samt Pferden und Jagdhunden zur grünen Insel über und beginnt die Jagd. Doch selbst tagelange blutige Kämpfe,
denen viele Streiter zum Opfer fallen, schaden dem Wildschwein nicht. Schließlich nimmt einer von Arthurs Männern die Gestalt
eines Vogels an, um mit dem Gegner gefahrlos verhandeln zu können. Aber auch das ist nutzlos: Twrch will nicht mit sich sprechen
lassen. Stattdessen schwimmt er mit seinen Jungen durch die Irische See nach Wales und Cornwall, wo er ebenfalls alles zu
verwüsten beginnt. Arthur setzt ihm nach und verliert in heftigen Kämpfen fast sämtliche Gefolgsleute, ohne dass der Eber
größeren Schaden nimmt. Aber letztendlich |154| gelingt es doch, ihm die kostbaren Rasierutensilien zu entreißen. Daraufhin schwimmt Twrch aufs offene Meer hinaus und wird
nie mehr gesehen. Zu guter Letzt muss noch das Blut der Schwarzen Hexe gewonnen werden, die in einer Höhle im Norden haust.
Auch sie erweist sich als ungewöhnlich stark und schlägt Arthurs Männer fast tot. Als Letzter stürmt der König selbst in die
Höhle und sticht mit seinem Dolch so lange auf die Hexe ein, bis ihr Körper in zwei Teile zerfetzt ist.
Endlich kann sich Culhwch der abschließenden Aufgabe stellen: Mit den Wunderdingen des Ebers und dem Hexenblut wird der Bart
des Riesen geschert, »Haut und Fleisch bis auf die Knochen, und beide Ohren schnitt er gleich mit ab«. Danach gibt dieser
seine Tochter dem Culhwch zur Frau und verliert damit sein Leben. Man zerrt ihn an seinen Haaren auf einen Misthaufen und
schlägt ihm den Kopf ab, der zur Abschreckung auf die Burgzinnen gesteckt wird. Dann eignet sich Culhwch das Land des Riesen
an und heiratet Olwen. Anschließend kehrt Arthur mit den Kriegern an seinen Hof zurück.
Solcher Art waren die Geschichten, die sich die frühmittelalterlichen Kelten in Wales erzählten und später niederschrieben.
Hinter vielen Figuren glaubt man alte Göttergestalten zu erkennen und so manches Requisit erinnert ganz offensichtlich an
sehr alte keltische Traditionen – in der Erzählung |155| von
Culhwch und Olwen
etwa der dämonische Rieseneber und der wunderkräftige Kessel. Die Geschichten der Waliser schreckten selbst vor drastischen
Zügen nicht zurück. Manche der Motive finden sich noch in den französischen Dichtungen um König Artus, die man so gern an
den kultivierten Höfen hörte; sogar in Sir Thomas Malorys Buch vom
Tod Arthurs
erscheinen sie Jahrhunderte später. Zu diesen ursprünglichen keltischen Elementen zählt man nicht nur Eigennamen, sondern
auch Motive wie die Hirschjagd, den Zug in eine Andere Welt – wie bei der Gralssuche – und die Vorstellung eines wüsten Landes.
Außer den Walisern überlieferten vor allem ihre keltischen Verwandten vom Festland, die Bretonen, die vielfältigen Geschichten
um König Arthur, denn die Beziehungen zwischen der Bretagne und Wales sowie Cornwall blieben immer recht eng. Über das Meer
hinweg herrschte ein reger Verkehr und Austausch, durch den die Bretonen die
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