Die Welt der Kelten
blassen Spuren wenig mit den historischen Druiden gemein.
Weit mehr als ein Jahrtausend vor den Erzählungen um König Arthur berichtet der sizilianische Gelehrte Diodor, ein Zeitgenosse
Caesars, eine Fülle über die keltischen Priester und die Bräuche und Sitten der Barbaren im Norden. Ihmzufolge galten die
in der Gesellschaft hoch Geehrten als Philosophen, also Männer der Weisheit, und Theologen, also Gotteskundige. Sie wussten
um die Geheimnisse der Gottheiten und verstanden gleichsam deren Sprache. Darum stellten sie die Verbindung her zwischen den
Menschen und den jenseitigen Mächten, denen man aus Dank opferte und von denen man sich Wohlergehen erbat. Für das eigentliche
Ritual waren allerdings die Wahrsager zuständig, die aus dem Flug der Vögel und der Opferhandlung an den geweihten Tieren
die Zukunft voraussehen konnten. Bei besonders wichtigen Fragen, von denen das Schicksal des ganzen Stammes abhing, pflegten
sie einen weiteren Brauch, den Diodor »merkwürdig und unglaublich« nennt: »Sie weihen nämlich einen Menschen als Opfer und
stoßen ihm ein Messer über dem Zwerchfell in den Körper; wenn das Opfer getroffen niedersinkt, erkennen sie aus der Art des
Fallens, den Zuckungen der Glieder sowie dem Ausströmen des Blutes die Zukunft; in diesen Dingen verlassen sie sich fest auf
eine alte und langjährige Beobachtungspraxis.« Aber über all dem wachten die Druiden, die entschieden, wie das Opfer von den
Göttern aufgenommen worden war.
Laut Caesar, der die umfangreichsten Informationen zu diesem Thema gibt, reichten die druidische Macht und ihre Befugnisse
erheblich über das |166| von Diodor Gesagte hinaus. Zwar gehörte es zu ihren Aufgaben, über die religiösen Zeremonien zu wachen, die Opfer des Stammes
wie des Einzelnen auszurichten und die entsprechenden Vorschriften richtig zu interpretieren. Aber weiterhin versammelten
die Druiden um sich eine große Zahl von jungen Männern zum Unterricht, und standen überhaupt bei den Galliern in großen Ehren.
Denn sie entschieden in der Regel in allen staatlichen und privaten Streitfällen. Wenn ein Verbrechen begangen worden oder
ein Mord geschehen war, wenn der Streit um Erbschaften oder um den Verlauf einer Grenze ging, fällten sie das Urteil, setzten
Belohnungen und Strafen fest. Hielt sich ein Privatmann oder das Volk nicht an ihre Entscheidung, untersagten sie die Teilnahme
an den Opfern. Diese Strafe galt als die schwerste, denn die, denen die Teilnahme untersagt war, galten als Frevler und Verbrecher,
alle gingen ihnen aus dem Weg und mieden den Umgang und das Gespräch mit ihnen, damit sie nicht durch ihre Berührung Schaden
erlitten. Wenn sie etwas beanspruchten, wurde ihnen kein Recht zuteil, und alle Ehrenstellen waren ihnen verschlossen – zumindest
gemäß Caesars Schilderung im
Bellum Gallicum
.
Als oberste Priester und Rechtsgelehrte verfügten die Druiden in den keltischen Stämmen über außerordentliche Macht. Zudem
erwiesen sie der Bedeutung ihres Namens – »sehr Weiser« oder »Eichenweiser« – alle Ehre. Als Lehrer der jungen Adligen umfasste
ihr Wissen wahrscheinlich fast alle Kenntnisse ihrer Welt. So kannten sie nicht nur die vielzähligen Götter und die Bräuche,
wie ihnen zu opfern sei und wie man sich ihnen zu nähern habe. Sie lehrten ihre Schüler die Grundlagen des Kosmos, sein Werden
und Vergehen, die Bewegungen der Gestirne und die Wirkungen von Pflanzen. Als »Naturwissenschaftler« wussten sie von den Krankheiten
der Menschen und deren Heilung. Ebenso führten sie ihre Zöglinge in die Geheimnisse der menschlichen Seele ein, was sie nach
dem Tod erwartete und wie man sein Leben moralisch zu führen hatte. Außerdem musste ein führender Mann der Oberschicht die
von den Druiden tradierten Heldensagen seines Stammes kennen, dessen Mythen und die Herkunft der Ahnen. Darüber hinaus waren
den Druiden die praktischen Hilfsmittel der Magie nicht fremd, sodass sie sich und anderen mit den passenden Zaubersprüchen
zu helfen wussten.
Ob alle Keltenstämme derart druidische Universalgelehrte kannten, ist genauso ungewiss wie ihre Herkunft und das erstmalige
Auftreten. Seit Caesars Zeit waren sie unter den Galliern und in Britannien bekannt. Über allen gallischen Druiden stand ein
Mann, der den höchsten Einfluss unter ihnen genoss. Wenn er starb, folgte ihm entweder derjenige nach, der unter den Übrigen
das meiste Ansehen besaß, oder aber sein
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