Die Welt der Sookie Stackhouse (German Edition)
hatte?
Aber es blieb keine Zeit mehr, sich darüber Gedanken zu machen, denn wir waren schon zwei Blocks westlich der Main Street an der Ecke Mesquite Street (die Nord-Süd-Straße) und St. Francis Street (die Ost-West). Die Baptistenkirche Gethsemane war ein Pseudolehmbau mit rotem Ziegeldach und gedrungenem Glockenturm. Ich konnte hören,wie der Organist drinnen schon übte. Ein seltsam friedvoller Klang.
Parken konnte man davor und links, zwischen der Kirche und dem Pfarrhaus. Das Gemeindezentrum stand direkt hinter der Kirche und war wie mit einer Nabelschnur durch einen überdachten Weg mit ihr verbunden. Im Kirchhof breitete sich ein dürrer Rasen aus, auch wenn das, was dort wuchs, ordentlich gemäht war.
Ein Mann, der nur der Pastor sein konnte, kam herüber vom Pfarrhaus, das wie eine kleinere Version der Kirche wirkte. Er war mittleren Alters, mit großem Kugelbauch und grau werdendem schwarzem Haar. Ein erstes Eintauchen in seine Gedanken verriet mir, dass Bart Arrowsmith ein leutseliger Mann war, der mit einer so heiklen Situation nicht würde umgehen können. Inzwischen musste sich in Wright überall herumgesprochen haben, was passiert war, und ich wusste, dass diese Situation Bruder Arrowsmith einen Schrecken eingejagt hatte.
Dies war ein Tag, an dem ich wissen musste, welche Stärken und Schwächen die Leute um mich herum hatten, egal, wie aufdringlich es mir vorkam, einfach in ihre Gedanken einzutauchen. Was ich in Bruder Arrowsmiths Kopf zu lesen bekam, ließ in mir den traurigen Verdacht aufkommen, dass er nicht der Fels in der Brandung sein würde, den wir heute brauchten. Er war ein zaudernder Mensch, der sich schlecht entscheiden konnte, welche Handlung Gott von ihm erwartete, sobald er mit einer Situation konfrontiert war, die in der Bibel nicht vorkam.
Er war bedrückt an diesem Tag, der eigentlich ein so glücklicher sein sollte. Und das machte es für mich sogar noch schlimmer. Er mochte Craig und Deidra. Und Bernie hatte er immer schon gemocht. Und wenn ich schon dabei bin, Sam natürlich auch. Aber als er Sam jetzt anblickte, sah er einen Untermenschen.
Ich holte einmal tief Luft und verließ Bart Arrowsmiths Kopf. Das war kein gesunder, fröhlicher Ort.
Eine leichte Brise war raschelnd durch die Blätter der kleinen Bäume gefahren. Jetzt nahm sie an Stärke zu. Es hatte schon seit einer Weile nicht mehr geregnet in Wright, und an den Wangen spürte ich die sandigen Partikel, die der Wind aufwirbelte. Ich weiß auch nicht so genau, wer mich zur Grimmigen Rachegöttin ernannt hatte, aber ich war in einem seltsamen Zustand düsterer Vorahnungen.
Ich fing den Pastor ab, als er die Stufen erreichte, und stellte mich selbst vor. Und nachdem Bart Arrowsmith meine Hand geschüttelt und mich gefragt hatte, ob Craig bereits drin sei, sagte ich zu ihm: »Sie müssen Position beziehen in dieser Angelegenheit.«
»Was?«, entgegnete er und starrte mich durch seine Brille mit dem Drahtgestell an.
»Sie wissen, dass das, was hier passiert, falsch ist. Sie wissen, dass es reiner Hass ist, und Sie wissen, dass Gott keinen Hass duldet.«
Ich sag’s ja. Als wäre ich die Stimme Gottes. Aber ich fühlte mich dazu verpflichtet .
Etwas regte sich hinter Bart Arrowsmiths Stirn. »Ja, ich verstehe.« Er seufzte. »Ja.« Und dann drehte er sich um und ging in die Kirche.
Als Nächstes würde ich wohl eine Liste mit Forderungen an die Kirchentür nageln.
Trish, Quinn und Togo tauchten plötzlich in dem trockenen Kirchhof auf. Ihre Schritte waren kaum wahrzunehmen auf dem harten Gras. Ich hatte sie gar nicht kommen hören, aber sie sahen alle reichlich mitgenommen aus. Quinn und Togo hatten die Grube bereits gegraben.
»Quinn übernimmt die Vorderseite«, sagte Trish. Sie klang ruhig und entschieden, auch wenn ihre Augen rot waren vom Weinen. »Togo, Liebling, geh du nach hinten. Sookie und ich kümmern uns um die rechte Seite.« Dass jemand vom Pfarrhaus aus links angreifen würde, konnten wir ausschließen, hoffte ich.
Ich nickte und tauschte noch einen Blick mit Quinn, als ich mich nach Osten auf meine Position zubewegte.
Deidra und ihre Eltern kamen zusammen in einem Auto, ihre Schwestern und ihre Brüder in einem anderen. Mrs Lisle war fast genauso hübsch wie Deidra, nur mit kürzerem Haar und ein paar Pfunden mehr. Mr Lisle sah genau aus wie ein Mann, der in einer Eisenwarenhandlung arbeitete: kompetent, fähig und fantasielos. Die ganze Familie war offensichtlich sehr besorgt.
Mr Lisle
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