Die Welt in mir (German Edition)
war. Immer noch nahm
ich alles um mich herum nur verschwommen und gedämpft wahr. Doch umso mehr ich
mir ihre Anwesenheit bewusst machte, desto mehr gelang es mir, den Schleier zu
durchbrechen.
Langsam bewegte ich mich in die
Richtung, aus der die Worte zu mir durchdrangen. Ich ging zum Flur, der zur
Haustür führte. Allerdings verbarg ich mich hinter der Wand, sodass sie mich
nicht sehen konnten. Ich lehnte mich dagegen, um einen besseren Halt zu haben.
Immer noch zitterten meine Beine, die sich vom Schock noch nicht erholt hatten.
Offenbar ging es um mich in dem
Gespräch. Es erreichten mich nur Wortfetzen. Nicht etwa, weil es zu leise war,
obwohl die Männer ihre Stimme gesenkt hatten, sondern weil sich mein Verstand
noch nicht wieder vollkommen zugeschaltet hatte. Ich schüttelte den Kopf, um
den Rest des Schleiers, der meinen Geist benebelte, zu entfernen, und spitzte
meine Ohren.
„Du hast doch gesehen, was
passiert. Es geht einfach nicht. Das Risiko ist zu groß“, hörte ich Joshs
Stimme.
Allerdings konnte ich nicht
begreifen, was er meinte. Sein Klang wirkte sich aber direkt auf mein Inneres
aus. Mein Herz nahm seine Stimme voller Sehnsucht auf und auch der Schmerz wurde
weniger. Es war, als hätte alleine seine Stimme eine heilende Wirkung auf mich.
Doch ich gestattete es mir nicht, darin zu versinken und mich meinen
Empfindungen hinzugeben. Ich musste mich weiter auf das Gespräch konzentrieren.
Ich musste einfach wissen, um was es sich zwischen den beiden drehte.
„Du glaubst, ich bin daran schuld?“,
konterte Alex. Seine Tonlage war weiterhin tief und zornig. Er war allem
Anschein nach genervt und unterdrückte mit Mühe seine Wut.
„Natürlich. Was glaubst du denn?“,
nahm ich wieder Joshs Stimme wahr und musste erneut alle Mühe aufbringen, um
mich nicht von ihr einhüllen zu lassen.
„Du spinnst, und das habe ich
dir nun schon mehrfach erklärt. Es ist Unsinn! Das waren nicht meine
Empfindungen. Dieser Wutausbruch war ganz alleine der von der Kleinen.“
Seine Worte sickerten in mein
Bewusstsein. Josh glaubte also, ich würde immer noch wie zu Beginn so von ihnen
beeinflusst werden.
„Das ist absoluter Blödsinn“, flüsterte
ich vor mich hin und stimmte vollkommen mit Alex überein. Ihre Empfindungen waren
noch in mir. Ich konnte auf sie zugreifen, aber sie bestimmten nicht mehr über
mich. Wie konnte er so etwas nur glauben? Er musste doch gesehen haben, dass
sich etwas verändert hatte. Immerhin konnte ich mit ihnen in einem Raum sein,
ohne bewusstlos zu werden. Glaubte er wirklich, dass ich noch so beeinflusst wurde?
Ich ging gedanklich
verschiedene Situationen durch. Mir kam in den Sinn, wie ich ihm vom Kampf
berichtet hatte und ihm sagte, dass ich dabei das fühlte, was Alex gefühlt
hatte. Ich erinnerte mich auch an seinen niedergeschlagenen Ausdruck. Offenbar musste
er gedacht haben, dass es keine freiwillige Entscheidung gewesen war, sondern
ich von Alex’ Einfluss durchströmt worden war. Doch so war es nicht. War er
deshalb in den vergangenen Tagen so bedrückt und nachdenklich gewesen? Glaubte
er etwa, ich spiegele immer noch die Empfindungen von ihnen? Mir fielen weitere
Situationen ein, in denen Josh skeptisch dreingeblickt hatte. Jede Neckerei mit
Alex hatte diesen Ausdruck auf Joshs Gesicht bewirkt. Er musste gedacht haben,
dass die Momente durch Alex entstanden waren und nicht weil es mein Wunsch
gewesen war. Auch das Kampftraining war in Joshs Bewusstsein bestimmt anders
angekommen, als es von mir gemeint war. Es war keineswegs so gewesen, dass
meine Gefühle beeinflusst worden waren. Tatsächlich hatte ich jedes Verhalten
und auch die Übungen freiwillig gemacht. Oder nicht? Ich versuchte, in mir zu
ergründen, ob nicht doch Alex' Empfindungen und seine Passion für Kämpfe einen
Einfluss auf mich gehabt haben. Nein! Sonst hätte ich schon die Sendungen oder
das erste Training voll genossen. Mein Vergnügen kam erst später. Er durfte
nicht glauben, dass ich nicht mein eigener Herr über meine Gefühle war.
Klar war ihr Einfluss in mir,
und ich konnte ihn auch spüren, aber nur, wenn ich ihn bewusst zuließ. Besser
wäre es wohl gewesen, mit Josh über meine Entwicklung zu sprechen. Dann hätte
er gewusst, dass ich mittlerweile nicht mehr willenlos von ihren Empfindungen
durchströmt wurde. Ich beschloss, das Thema so bald wie möglich anzusprechen.
Alex hatte keinen ständigen Einfluss auf mich. Dies sollte Josh wissen.
Vielleicht änderte sich daraufhin seine
Weitere Kostenlose Bücher