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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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schwitzend hinterher – in meiner arschteuren Eskimojacke.
    Das gleiche Problem hatte ich im Sommer zuvor bei einem meiner alljährlichen Amerikabesuche. Vorher hatte ich mit meinem kanadischen Kumpel – soweit man als US -Amerikaner einen Kanadier als Kumpel bezeichnen kann – drüber gesprochen.
    »Du, Ron, immer wenn ich im Sommer in den USA bin, weiß ich nicht, was ich anziehen soll.«
    »Wieso, bist du schwul geworden? John, du bist in den USA , du kannst anziehen, was du willst, und wenn es noch so scheiße aussieht. Amerika ist ein völlig von Geschmack befreites Land.«
    »Ich meine doch nicht den Style! Ich meine die Temperaturen. Draußen hat es 40 Grad, du denkst, du bist am Amazonas. Dann gehst du irgendwo rein, egal wo, und die Klimaanlage ist bis zum Anschlag aufgedreht. Es sind minus fünf Grad. Dann gehst du in einen Supermarkt, zu den Tiefkühltruhen, die in amerikanischen Supermärkten 80 Prozent des Ladens ausmachen – und es ist minus 20 Grad. Du willst nicht nur sofort deine Eskimojacke haben, du schreist nach langen Unterhosen, stehst aber da in Badelatschen, Shorts und Netz-Unterhemd! Ron, ein Sommertag in New Jersey führt dich durch fünf Klimazonen!«
    »Ich versteh dich nicht! Früher haben dir die Temperaturunterschiede in den USA auch nichts ausgemacht. Was ist los mit dir? Du kommst doch nicht etwa in die Menopause?«
    »Menopause?«
    »Changing years!«
    Da ist das böse Wort zum ersten Mal gefallen: Changing years. Wechseljahre. Frauenzeugs.
    Weil ich immer zum Arzt gehe, wenn ich mir etwas nicht erklären kann, ging ich also zum Arzt, um es mir erklären zu lassen. Zu meinem dicken Hausarzt Dr. Schäfer. Der ist tatsächlich noch dicker als ich. Das tröstet, das schafft Vertrauen. Und das macht es mir leichter, mir einzugestehen, noch nichts gegen mein Übergewicht unternommen zu haben.
    Es war Mitte Juli, ein heißer Sommertag. Ich saß in seinem Behandlungszimmer im Pulli mit Schal und Mütze. Nur um sicherzugehen.
    »Herr Doktor Schäfer, ich habe keine Ahnung, warum, aber ich habe ständig das Gefühl, dass ich die falschen Sachen anhabe.«
    »Ach, machen Sie sich keine Sorgen, Herr Doyle. Das liegt am Alter. Im Alter wird man kälteempfindlicher.«
    »Mein kanadischer Freund behauptet, ich sei in den Wechseljahren. Das ist doch Quatsch, oder?«
    »Na ja, Quatsch würde ich nicht gerade sagen. Auch Männer kommen in eine Art Klimakterium. Und der Begriff drückt ja schon ein bisschen aus, worum es geht: Das innere Klima ändert sich. Mal ist einem heiß, mal kalt. Das liegt an der Umstellung der Hormone. Das gibt’s auch beim Mann, zwar nicht so stark wie bei einer Frau, aber es hat schon was von Wechseljahren. Daran müssen Sie sich gewöhnen, Herr Doyle.«

    Ich hab mich dran gewöhnt. Ich hab jetzt immer eine Sommer- und eine Winterkollektion dabei. Aber – Glück im Ungück – wenigstens menstruieren muss ich nicht mehr.

Alzheimer
    Das Altwerden beschränkt sich leider nicht nur auf den Körper. In letzter Zeit beobachte ich an mir auch einige, durchaus beunruhigende, geistige Aussetzer. Es fing harmlos an: Ich hatte einen Arzttermin – weil ich immer einen Arzttermin habe –, wollte also aus dem Haus gehen und suchte nach dem Haustürschlüssel. Wo – zum devil – hab ich ihn hingelegt? Normalerweise liegen sie immer auf der kleinen Kommode im Flur. Aber jetzt fand ich die Kommode nicht. Ich stand also da, dachte: Wo ist die Kommode? Aber ich dachte es nicht nur, ich sagte es auch:
    »Marita, wo ist die Kommode?«
    »Welche Kommode?
    »Na, die Kommode im Flur!«
    »Wir haben keine Kommode, auf jeden Fall keine im Flur. Wovon redest du eigentlich, John?«
    Jetzt fiel es mir ein: Das mit der Kommode im Flur war zu Hause bei mir in New Jersey. Die alte Kommode von Grandma Doyle, und dort lagen immer die Haustürschlüssel von Mom drauf. War das jetzt schon Alzheimer oder nur eine altersbedingte Aktivierung des Langzeitgedächtnisses?
    »Schon gut, hab mich vertan. Weißt du, wo meine Fucking-Hausschlüssel sind?«
    »Wie? Du hast dich vertan? Hast du noch eine zweite Wohnung mit einer Kommode im Flur?«
    »Nein, ich hab nur gerade an früher gedacht. An New Jersey, da hatten wir eine Kommode im Flur.«
    Das hätte ich nicht sagen sollen, manchmal führen Erklärungen zu nichts oder beschwören nur Unheil herauf. Letzteres trat nun ein: »Wie, du hast an früher gedacht? Du suchst nach deinen Schlüsseln auf einer Kommode, die bei euch zu Hause in New Jersey im Flur

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