Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Frust.« Aber dann riss mich meine Frau aus meinen Gedanken.
»Eine Sauerei ist das! Die hatten versprochen: ›Zimmer mit Meerblick ‹!«
Und mein Sohn ergänzte: »X-Box haben die hier auch nicht! Und in der Minibar ist kein Tropfen Alkohol!«
»Du darfst doch noch gar keinen Alkohol trinken!«, entgegnete der fürsorgliche Erziehungsberechtigte in mir.
»Ich will ja auch gar keinen«, erwiderte die rotzfreche Begleitperson, »ich hab an Mama gedacht, damit sie dein Schnarchen besser erträgt.«
Danke, dachte ich, wurde aber von meiner Frau aus meiner Gedankenwelt gerissen: »Im Katalog sah das alles ganz anders aus.«
Ich konterte: »Du hast auch anders ausgesehen im Katalog.«
»Mama, echt?«, fragte mein Sohn begeistert, »du warst ’ne Katalogbraut? Cool!«
Die Stimmung kippte. Freiwillig begab ich mich zur Rezeption und meckerte wegen des Zimmers. Nach 20 Jahren in Deutschland bin ich, was das Meckern und Beschweren angeht, recht gut ausgebildet: »Unser Zimmer ist eine Katastrophe … das lass ich mir nicht bieten … ich werde das dem Reiseveranstalter melden … oder dem ADAC !«
Der Typ an der Rezeption hörte sich meine Litanei routiniert an. Als ich fertig war, sagte er nur: »Excuse me, Sir, I only speak English.«
Ich schrie: »Na, super! Das auch noch! Nur Deutsche im Hotel, aber der Typ spricht nur Englisch!« Aber dann fiel mir ein, dass ich diese Sprache, also Englisch, auch recht gut beherrschte: »Hey, man, listen! I’m an American, you can’t do this to me. I’m an American dude. I want a new room. A room with a view. Not with a view of a Baustelle but with a view of something nice: Camels, Pyramids, Beach, Harem. Don’t forget, I’m an American!«
Der Typ fragte noch mal nach: »American? JU ES EY ?«
»Yeah man, USA : Live free or die!«
Ich lächelte das triumphierende Lächeln eines Amerikaners, der soeben die arabische Halbinsel christianisiert hatte, und mein Gegenüber lächelte zurück: »I’m sorry, Sir, I beg your pardon, I’m really sorry, Sir.«
Und sofort gab er mir ein neues Zimmer. Im Untergeschoss. Vermutlich der ehemalige Folterkeller einer Al-Qaida-Partnerorganisation.
»Hier kommt ja überhaupt kein Licht rein«, klagte meine Frau: »Stockduster hier!«
»Schätzchen«, antwortete ich, »für das, was in diesem Raum gemacht wurde, brauchte man kein Licht.«
»Lass deine blöden Witze, geh lieber zur Rezeption und besorg uns ein richtiges Zimmer«, stachelte meine Frau mich an, und weil es scheinbar so viel Spaß machte, mischte sich der Pubertierende auch noch mal ein.
»Na, Dickie, wie viel Bakschisch haste dem an der Rezeption gegeben für den geilen Bunker? Und überhaupt: Sahen eure Verhörräume im Ersten Golfkrieg auch so aus?«
An dieser Stelle muss ich mal eines klarstellen: Ich war nicht im Golfkrieg. Ich war noch in gar keinem Krieg. Ja, solche Menschen gibt es, selbst in den USA . Wenn ich im Krieg bin, dann mit meinen Liebsten. Ich stehe sozusagen ungeschützt im
friendly fire.
Das
friendly fire
hielt dann die nächsten 14 Tage über an. Erst war es das Zimmer, dann die Briten, die jeden Liegestuhl am Swimmingpool schon morgens um fünf mit ihren Handtüchern besetzten. Frotté-Handtücher, fast durchgängig mit dem Union Jack verziert. Ich versuchte, den Briten klarzumachen, dass das Liegestuhl-Okkupieren mittels Handtuch ein Vorrecht der Deutschen wäre, aber sie haben nicht verstanden, was ich von ihnen wollte: Ein Ami, der das Liegestuhl-Besetzungsrecht der Deutschen einfordert! Das geht über den Horizont eines durchschnittlich sonnenverbrannten Briten hinaus.
Friendly fire
gab es aber auch wegen des Essens (»wie inner Kantine«), der Pyramiden (»viel zu heiß hier«) und wegen der täglich neuen Zimmer-Kakerlaken (»John, mach die weg!«). Am Ende des Urlaubs waren meine Bandscheiben in Hochstimmung: »Lieber John, vielen Dank für den vielen Stress. Nun sind wir richtig schön trocken, jetzt können wir endlich den Schmerz entfalten, der uns so berühmt gemacht hat. Komm, versuch mal, dich zu bücken! – Haha! Siehste: Es geht nicht.«
Also, noch mal: Wenn man »Bandscheibe hat«, sollte man tunlichst Stress vermeiden. Man muss in einen Stressvermeidungsmodus wechseln. Okay, das ist leicht gesagt, aber schwer getan. Es gibt zu viele Dinge, die Stress verursachen. Dinge, an die man gar nicht denkt. Hier meine Hitliste …
Stressfaktor Nr. 1: Die Fernbedienung!
Einige Menschen werden sich daran erinnern: Früher gab es
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