Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
und »Tschö« war sie dem Strahlungstod ein paar Minuten näher gekommen.
Besonders schlimm ist das Dauertelefonieren mit Headset. Früher konntest du einen Spinner noch von einem Normalo unterscheiden. Spinner führten Selbstgespräche. Sie plapperten laut vor sich hin, und du wusstest genau: »Aha, ein Spinner!« Heute sieht man andauernd irgendwelche Menschen, die laut vor sich hin plappern, dabei wild gestikulieren, und du fragst dich: »Ist das ein Idiot oder eine Flatrate?«
Stressfaktor Nr. 3: Fußgängerzonen
Auch die Fußgängerzonen haben sich verändert. Früher waren sie einfach ein schöner Ort, an dem man so dahinschlendern konnte, ohne von einem Auto überfahren zu werden. Ich liebte deutsche Fußgängerzonen. Wenn ich Besuch aus den Staaten hatte, ging ich mit meinen Gästen sofort in der Fußgängerzone spazieren. Jedes Mal wurde ich dann nach ein paar Minuten gefragt: »John, wo sind die Autos?« Es war für meine amerikanischen Gäste schier unvorstellbar, sich längere Zeit ohne Auto und zu Fuß fortzubewegen – und das auch noch, ohne zermalmt zu werden. Aber das war einmal. Inzwischen sind Fußgängerzonen nur noch stressig. Ständig werde ich von irgendwelchen seltsamen Menschen angequatscht, die mir irgendwas verkaufen wollen.
»Möchten Sie Jesus kennenlernen?«
»Möchten Sie Allah kennenlernen?«
»Möchten Sie ein Gratis-Abo für die FAZ ?«
Wenn sich nicht gerade Salafisten oder Zeugen Jehovas auf dich stürzen, dann ist garantiert irgendwo ein Stand von der FDP mit jungen Menschen, die offenbar nicht wissen, was sie tun. Ich spende dann immer 50 Cent, um schnell weiterzukommen, und lande direkt beim Nächsten: »Möchten Sie eine Obdachlosen-Zeitung kaufen?«
»Tut mir leid. Ich habe kein Kleingeld mehr.«
»Macht nix! Ich nehme auch Scheine.«
Weil sowohl das Geben als auch das Ablehnen Stress verursacht, setzt du dich vor das nächstbeste Café und – zack! – drückt dir einer eine kleine Plastikblume in die Hand: »Hey, danke«, sagst du, »das ist aber nett, dass mir einfach jemand etwas schenkt«, und dann kommt der Typ nach einer Weile wieder und will Geld für sein Plastikblümchen haben. Du gibt’s es zurück, und der Typ ist sauer. Er beleidigt dich, du schämst dich vor all den anderen Leuten, und die Stresshormone schießen doppelt so stark ein.
Also, mein Tipp zur Stressvermeidung: Fernbedienung wegschmeißen, Handy-Flatrate kündigen und einen großen Bogen um Fußgängerzonen machen. Ach ja, Familie sollte man auch nur in kleineren Dosen nehmen, zumindest die eigene.
Hypochondrie – Wenn die Hautärztin dreimal schneidet
Es gibt Krankheiten und eingebildete Krankheiten. Ich leide unter beidem. Ich bilde mir sogar Krankheiten ein, die es gar nicht gibt oder noch gar nicht gibt. Man darf mich also durchaus einen Hypochonder nennen. Obwohl das den Kern nicht ganz trifft, denn Hypochonder ist nicht gleich Hypochonder. Ich unterscheide da drei hypochondrische Typen:
Typ I: Der Gelegenheits-Hypochonder
Er dramatisiert eine leichte Erkrankung, macht zum Beispiel aus einem grippalen Infekt eine Grippe mit Tendenz zur asiatischen Grippe und/oder Vogelgrippe. Kopfschmerzen werden zur Migräne und »Rücken« wird zum Bandscheibenvorfall.
Typ II : Der echte Hypochonder
Er braucht keinen kränkelnden Anlass, um sich Symptome einzubilden – er hat sie einfach. Er liest zum Beispiel in der »Apotheken-Umschau« – auch so eine Art Hypochonder-Bibel – etwas über Herzinfarkt, und sofort schmerzt der linke Arm. Er greift sich an die Brust, stöhnt auf und blockiert anschließend mit Jammermiene die Notfall-Ambulanz des nächstgelegenen Krankenhauses.
Ich bin eine Mischung aus Hypochonder-Typ I + II , der übrigens in der Regel sowieso männlich ist. Am schlimmsten aber ist der Typ III :
Typ III : Der Transfer-Hypochonder
Er transferiert seine eingebildeten Krankheiten auf seine Mitmenschen. Er lebt davon, anderen Menschen Symptome unterzuschieben und so lange auf sie einzureden, bis sie tatsächlich glauben, schwer erkrankt zu sein. Trifft Hypochonder-Typ III auf Typ II oder I, kommt es zur Katastrophe, sprich, die Kacke ist am Dampfen.
Mein Kumpel Dietmar ist ein Typ III . Er kennt jede Krankheit, kann jedes noch so harmlose Symptom höllisch dramatisieren und dir damit jede Krankheit an die Backe reden. Oder an den Arm, wie neulich auf dem Balkon. Wir saßen in der sanften Frühjahrssonne, und Dietmar begann: »Hey, John, das Muttermal da an deinem
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