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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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rechten Arm sieht komisch aus. Du solltest es besser untersuchen lassen.« Ich schaute auf mein Muttermal beziehungsweise auf die circa zwei Dutzend dunklen Flecke auf meinem rechten Arm.
    »Welches meinst du?«
    »Na, das da!«, betonte Dietmar, drückte mit seinem Spinnenzeigefinger auf einen von circa 100 Flecken, die allesamt gleich aussahen, und sein Blick sagte: »Schade, John, du warst echt ein super Kumpel.«
    Ich folgte seinem Zeigefinger, und mir wurde klar: Das ist mindestens Hautkrebs, wenn nicht etwas Schlimmeres. Wobei ich gerade nicht wusste, was hätte schlimmer sein können. Wenn ich nicht ohnehin schon panische Angst vor meinem eigenen Siechtum gehabt hätte, hätte ich ja auch denken können: »Na ja, ich bin Komiker. Warum sollen meine Muttermale dann nicht auch komisch aussehen?«
    Aber ich bin Komiker
und
Hypochonder in Personalunion, und das Hypochondrische in mir gewinnt wie immer die Oberhand. Ich bekam einen panischen Blick, malte mir meine Zukunft aus, also die mir verbleibenden drei Monate, und fragte Kumpel Dietmar: »Meinst du echt, der ist nicht in Ordnung?« Dietmar, mein alter Freund, nickte mitleidig. So ist der Dietmar. Ein echter Freund, immer nett, immer höflich, immer mitfühlend. Und zu den Krankheiten, die er mir andichtet, hat er auch immer gleich den passenden Arzt. Egal ob Orthopäde, Urologe oder Proktologe. Er kennt jeden Arzt, oder besser: Er kennt nur »die besten Ärzte der Welt«.
    Wie gesagt, eigentlich ist Dietmar selbst Hypochonder, weil er aber seine eingebildeten Krankheiten auf andere überträgt, erspart er sich eigenes Leid. Manchmal nervt es, wenn er den Doktor spielt. Ich meine nicht Doktor im Sinne von echter Untersuchung. Also Dietmar befummelt mich nicht (okay, einmal schon, aber wir waren betrunken, und ich dachte, er wäre meine Frau). Nein, ich meine Doktor im Sinne von: »Sag mir ein Symptom, und ich mache eine Krankheit daraus!«

    Ein paar Wochen vor der Muttermalgeschichte: Wir saßen zusammen, und ich hatte höllische Kopfschmerzen und vergesse, dass »Hypochonder Typ III « neben mir sitzt.
    »Was ist los, John?«, begann Dietmar seine Diagnosesitzung, »du guckst wie ein Häufchen Elend.« Ich wusste zwar nicht, wie ein Häufchen Elend guckt. Eigentlich wusste ich noch nicht einmal, ob ein Häufchen Elend überhaupt gucken kann, aber ich antwortete trotzdem.
    »Ach nichts, ich hab nur tierische Kopfschmerzen.«
    »Kopfschmerzen? John, das könnte ein Gehirntumor sein.«
    »Ein Gehirntumor? Dietmar, kann es nicht etwas anderes sein? Vielleicht einfach nur Kopfschmerzen?«
    »Klar, könnte es etwas anderes sein. Bestimmt ist es etwas anderes.«
    Und Dietmar nahm mit einer unbeschreiblich nachdenklichen Miene einen Schluck Kaffee, setzte die Tasse ab und sagte: »Lass uns über was anderes reden.«
    Danach bin ich zwei Wochen lang mit einem Gehirntumor rumgelaufen. Ich lief durch die Fußgängerzone, betrachtete die Menschen neben mir und fragte mich: »Bin ich hier der einzige fucking Mensch mit einem Gehirntumor?«
    Lustlos aß ich mein Eis und dachte: »Ist das mein letztes Eis? Und überhaupt, warum bin ich der einzige eisessende Mensch mit einem Gehirntumor?«
    Dann hörte ich die Nachricht, dass Lukas Podolski gestresst war, weil seine Vertragssituation nicht geklärt wäre, und ich dachte: »Stress? Was für Stress?
Ich
habe fucking Stress! Ich habe einen Gehirntumor!«

    Dietmar, der meine Ängste natürlich hundertprozentig nachvollziehen konnte, empfahl mir, zu einem Radiologen zu gehen. Zum besseren Verständnis: Radiologen sind Ärzte, die immer die richtigen Porsches fahren. Wenn sie Familie haben, dann den Panamera, wenn nicht, den Turbo. In den USA sagt man, wenn man solche Autos sieht: »Der Typ ist entweder Rockstar, Drogendealer oder – Radiologe.«
    Der Radiologe schob mich dann in ein Riesenrohr. Das Ding sah teuer aus. Teurer als sein Porsche. Mir war klar: Wer mich in so ein Ding schiebt, macht das nur, weil er sich sicher ist, dass ich tatsächlich einen Gehirntumor habe. Nach zwei Stunden Todesangst holte man mich wieder raus. »Herr Dolly, Sie haben nichts. Da ist nichts, aber auch gar nichts zu sehen.«
    Eigentlich wollte ich sagen: »Ich heiße nicht ›Dolly‹, und übrigens ist die Röhre ein bisschen nass!«, aber ich war so glücklich, dass ich nur sagte: »Vielen Dank. Sie haben den Porsche wirklich verdient.«
    Ich habe danach den Radiologen gewechselt. Einmal, weil er mich so komisch angeschaut hatte, zum anderen

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