Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
der Doktor recht. Meistens jedenfalls.
Daraufhin wollte ich mir den Staubsauger schon mal ins Gesicht schnallen, aber Dr. Schäfer winkte ab.
»Moment noch, Herr Doyle, erst einmal müssen wir testen, ob Sie überhaupt an einer Schlafapnoe leiden.«
Auch da hatte der Somnologe (!) recht, und jetzt ging’s erst richtig los. Seine wunderhübsche Assistentin verpasste mir ein »mobiles Schlaflabor«: Ein kleines Gerät, das entfernt an den »Walkman« erinnerte. (Für diejenigen, die es vergessen haben oder noch gar nicht geboren waren: Der »Walkman« war ein Urahn des MP 3 -Players für Jogger. Die Musik kam von einem Band. Allerdings nur bei einer Strecke von 500 Metern, dann gab es Bandsalat. Trotzdem eine geile Erfindung damals, als ich noch jung, hübsch und dünn war). Aber zurück zum mobilen Schlaflabor: Aus dem kleinen Gerät wuchsen circa 25 bunte Kabel. Jedes einzelne Kabel wurde an mir festgeklebt. Die meisten im Gesicht, der Rest auf dem Rücken, an den Fingern, Armen, auf der Brust und an den Beinen. Ich sah aus wie ein schlecht designter Roboter. Das Schlimmste aber war: Mit dem Ding und den lustig bunten Kabeln sollte ich eine ganze Nacht verbringen. Währenddessen würden meine Hirn- und Wer-weiß-was-für-Ströme aufgezeichnet, und am nächsten Tag würde der Doktor dann wissen, ob meine Atmung mitten in der Nacht aussetzt oder auch nicht. Das war nicht schön, aber die Alternative war noch weniger schön. Das wäre nämlich eine Nacht in einem richtigen Schlaflabor im Krankenhaus gewesen. Ein Raum mit Bett, in dem man dann auch verkabelt wird und von irgendwelchen Krankenschwestern beobachtet wird. Oder noch schlimmer: Man wird von
gar keiner
Krankenschwester beobachtet.
Dann doch lieber die mobile Verkabelung.
Ich verließ also die Praxis mit sieben Kabeln im Gesicht, und wollte gerade zur Tiefgarage gehen und in mein Auto steigen, um unerkannt durch die Stadt nach Hause zu flitzen, um dann in unser Parkhaus zu fahren und schließlich über die Nottreppe unbemerkt in unsere Wohnung zu schlüpfen. Das ging aber nicht, weil ich gar nicht mit dem Auto, sondern mit der Straßenbahn zur Praxis gefahren war. Ich ging also zur nächsten Haltestelle, stieg in die Bahn und ließ mich von circa 200 Mitfahrern anstarren.
»Guck mal, Oma«, sagte ein kleines, bestimmt sehr dummes Kind, »was hat der Mann da für komische Kabel im Gesicht?«
»Psst«, flüsterte die Oma, »der Mann ist krank, starr ihn nicht so an.«
Ich wollte gerade anmerken, dass ich nicht etwa krank sei, sondern nur ein Schnarcher; da sprach mich schon die nächste jugendliche Geistesgröße an: »Ey, Alda, Geilomat, was haste denn da? Ist da ’ne Batterie? Nippelste ab, wenn ich die Stecker ziehe, har, har?«
»Nein«, antwortete ich so ernsthaft wie möglich, »das ist keine Batterie, das ist ein MP 3 -Player, damit man die Musik nicht nur
hört,
sondern im ganzen Körper
spürt.
«
Der junge Idiot war restlos begeistert, faselte was von »endgeil«, aber ich hörte nicht mehr hin. Ich wollte nur noch nach Hause, ins Bett und schlafen. Fast hätte ich das auch geschafft, wenn mich nicht der Sohn meiner Frau im Flur abgefangen hätte. Nachdem er einen ersten Lachanfall überstanden hatte, holte er seine Kamera und knipste ein Foto von seinem verkabelten Vater für seine Facebook-Seite. Ich flüchtete ins Bett. Meine Frau zog es vor, die Nacht im Wohnzimmer zu verbringen. Sie konnte bei meinem Anblick nicht einschlafen.
»Tut mir leid, aber wenn ich dich sehe, muss ich immer an Intensivstation denken. Ich will nicht neben einem Sterbenden schlafen.« Ich nahm es ihr nicht übel und schlief einfach ein.
Am nächsten Tag saß ich mit Dr. Schäfer vor seinem überdimensionalen Computerbildschirm, und wir schauten uns ganz viele bunte Kurven an. Man sah, wann ich eingeschlafen und wann ich in den Tiefschlaf gefallen war, wann mein Bein gezuckt hatte, wie hoch oder niedrig mein Blutdruck war, wie viel Sauerstoff im Blut war, und man sah meine Atemkurve. Sie verlief ziemlich gerade. Keine Apnoe, keine Atemaussetzer, ich hatte einfach durchgeschlafen oder durchgeschnarcht. Ein bisschen enttäuscht war der Doktor dann schon.
»Also, Herr Doyle, eine Apnoe haben Sie nicht. Das ist doch schon mal was.«
»Und jetzt: Was mache ich gegen mein normales Schnarchen?«
»Das, was ich Ihnen schon gestern gesagt habe: Sport treiben, weniger essen und für den Anfang den BH mit den Tennisbällen.«
Also doch: John Doyle, der Mann mit den
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