Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Fernseher ohne Fernbedienung. Ja. Tatsächlich. Man musste aufstehen, um von einem Programm ins nächste zu schalten. Das war in Deutschland kein Problem, es gab ja nur zwei, später drei Programme. In den USA gab es schon in den sechziger Jahren circa 4000 TV -Programme – da wurde das Umschalten zu einer Dauer-Turnübung. Tatsächlich waren die meisten Amis damals noch schlank. Das hat sich erst mit Einführung der Fernbedienung geändert.
Heute verfügt jeder über eine Fernbedienung für die Glotze. Und die verursacht Stress. Es fängt damit an, dass ich grundsätzlich den falschen Knopf drücke, weil ich meine Brille nicht finde. Auf dem Bildschirm erscheint statt des ersten Programms die Frage: » 16 : 9 oder 4 : 3 ?« Ich bin mir unsicher. Eigentlich wollte ich nur »Tatort« gucken. Warum gibt es keine Fernbedienungen nur mit »On/Off«-Knopf, Lautstärkeregelung und Programmwechsler? Während ich über ein Patent für Fernbedienungen für Menschen mit Sehschwäche nachdenke, informiert mich der Bildschirm: »Sie haben sich für Splitscreen entschieden.« Ich drücke noch mal. »Möchten Sie Stereo oder Mono? Oder Dolby Surround?« Nein, möchte ich nicht, beziehungsweise, ich weiß es nicht. Ich möchte einfach nur, dass Geräusche aus dem Ding kommen und dazu das passende Bild. Stattdessen lande ich in einem Untermenü. »Sie haben sich für die Option 3 D entschieden.« Schön, und dann folgt eine Werbung mit Reiner Calmund für irgendeine Internetseite, über die man Flüge billiger bekommen soll. Es sieht aus, als würde Reiner gleich aus der Glotze platzen, und ich wünsche mir die Zeit zurück, als es Reiner nur in 2 D gab.
Das sind die Probleme, die ich mit einer Fernbedienung habe. Ich besitze jedoch circa zwanzig Fernbedienungen für alle möglichen Elektrogeräte. Irgendetwas ist mit der Welt nicht in Ordnung, wenn schon das Einschalten des Fernsehers zur Herausforderung des Tages wird. Das geht nicht nur mir so, auch meine gleichaltrigen Freunde kennen das: »Hey, John, was machst du heute? Hast du was Besonderes vor?«
»Ich hab mir vorgenommen, den Fernseher einzuschalten.«
»Echt? Na dann, viel Erfolg!«
Einmal drückte ich den roten Knopf auf der Fernbedienung und – nichts tat sich. Ich suchte Hilfe bei meinem Sohn.
»Hey, wieso geht der Fernseher nicht an?«
»Weil du die Kaffeemaschine eingeschaltet hast, großes Vorbild.«
Dann griff er zu den richtigen Fernbedienungen, in den richtigen Kombinationen. Einmal drücken: Receiver ging an. Noch einmal drücken: Fernseher ging an. Dann WLAN an. Dann PS 3 . Letztes Drücken: DVD -Recorder an.
»Wieso schaltest du den DVD -Recorder an? Ich will jetzt ›Volle Kanne‹ gucken. Nicht aufgezeichnet, ich will es live gucken!«
»Geht nicht«, antwortete mein pubertierender Meister. »Ich bin jetzt mit Alex in New Jersey über WLAN zum Soccer verabredet. Ich zeichne deine Gerontologie-Sendung digital auf, damit du es später gucken kannst.«
Ich wunderte mich über seine Fremdwortkenntnisse und beugte mich seinem Willen. Angesichts der kryptischen Tastenkombinationen auf der Fernbedienung hätte ich ohnehin keine Chance gehabt, meine Sendung anzusehen. Zumal es mein Sohn, der halbwüchsige, nordkoreanische Diktator, nicht zuließ.
Stressfaktor Nr. 2: Handy-Flatrate
Es gibt viele Szenarien für einen möglichen Weltuntergang beziehungsweise für die Vernichtung der Menschheit:
global warming, nuclear war, unknown virus.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die
mobile-flatrate
ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Untergang der Menschheit darstellt. Der Stress durch ständiges Telefonieren, egal wann und egal wo man sich befindet, wird die Menschen auf die Dauer so bekloppt machen, dass sie alle entweder an Herzinfarkt oder Hirnschlag sterben werden. Schon jetzt sind viele Menschen zum Beispiel nicht mehr in der Lage, einen Spaziergang zu machen, ohne gleichzeitig zu telefonieren. Das ist nur möglich, weil es Flatrates gibt. Jetzt labert man durchgehend ins Handy, weil man die Flatrate natürlich auch nutzen will. Würde man – wie früher – für jeden Anruf zahlen müssen, sähe die Welt ganz anders aus.
Neulich in der Straßenbahn rief ein Mädchen ihren Freund an: »Hi, Schatzi, ich rufe nur an, um ›hi‹ zu sagen.« Plötzlich hatte sie keine Verbindung mehr und legte auf. Nach zwei Minuten war das Netz wieder da, und sie rief wieder an: »Tschö, Schatzi. Ich wollte nur noch ›Tschö‹ sagen.«
Na, super! Für »Hi«
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