Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
Minuten geradelt, da kam Dunja-Sonja-Tanja an und drückte irgendwelche Knöpfe auf dem Display. Plötzlich wurden aus dem netten Dahinradeln die letzten drei Kilometer einer Bergankunft bei der Tour de France. Während ich mich also – ungedopt – zum »Grand Prix Montagne« hinaufquälte, begann ich nachzudenken: Viele von den neben mir Dahintrampelnden sind mit dem Fahrrad zum Fitnessstudio gefahren, um dann auf das Fitnessfahrrad umzusteigen. Warum sind sie nicht einfach weitergeradelt? Also richtig geradelt. Mit Sonne und Vogelgezwitscher in frischer Luft. Das Einzige, das man hier zum Schnuppern bekam, waren stinkige Socken und verschwitzte Unterhemden. Und du hörst keine Vögel, sondern etwas, das sich anhört wie das, was man macht, wenn man ein »n« an unsere gefiederten Freunde hängt.
Nach dem Fahrradfahren sollte ich Gewichte stemmen. Das war mir dann doch zu viel. Ich simulierte eine schmerzhafte Muskelzerrung – glaubhafte Krankheitssimulationen liegen mir im Blut – und verschob meinen Probetermin mit Sonja-Tanja-Dunja auf die nächste Woche.
Seitdem waren – wie bereits erwähnt – sieben Monate vergangen.
Nach der Auseinandersetzung mit meinem schlechten Gewissen und seinem Freund, dem Pubertierenden, beschloss ich, ohne Fitnesstrainer fit zu werden. Ich ging ins Studio, einfach so. Kein Probetraining, nichts, ich wollte einfach nur anfangen, fit zu werden.
Kaum betrat ich den Raum, merkte ich, wie mich alle anstarren. Ich war ein bisschen stolz darauf und dachte: Hey super, die kennen mich alle aus dem Fernsehen oder von der Bühne. Wie geil ist das denn? Bestimmt fragt gleich einer nach einem Autogramm. Bis ich feststellen musste, dass sie nicht wirklich
mich
anstarren, sondern eher meinen Bauch. Es würde nicht lange dauern, bis mich jemand ansprach,
»Ach, das ist ja schön, in welchem Monat sind Sie denn?«
»Junge oder Mädchen?«
»Darf ich mal anfassen?«
Das Problem sind meine T-Shirts. Sie sind einfach zu eng, um den Bauch zu verdecken. Keine Ahnung, warum sie so eng sind. Wenn ich sie kaufe, passen sie noch. Ich habe den Verdacht, dass meine Frau die T-Shirts zu heiß wäscht, damit sie einlaufen und ich ein noch größeres schlechtes Gewissen bekomme. Meine Frau bestreitet das.
»Marita, du darfst die T-Shirts nicht so heiß waschen! Die laufen alle ein.«
»Ich wasche die T-Shirts bei 40 Grad – da läuft nichts ein.«
»Vielleicht ist die Waschmaschine kaputt?«
»John, die Waschmaschine ist nicht kaputt. Es liegt am Kühlschrank.«
»Liebe Marita, bitte bleib sachlich! Was bitte hat der Kühlschrank mit meinen T-Shirts zu tun?«
»Na ja, du leerst ihn dauernd und füllst damit deine T-Shirts.«
Ich hasse es, wenn meine Frau versucht, lustig zu sein. Genauso wenig mochte ich die Bauchblicke der anderen »Fitnesser«. Ich versuchte also, meinen Bauch einzuziehen, aber so viel Bauch konnte man nicht auf einmal einziehen, und außerdem musste ich ja auch irgendwann wieder atmen. Um nicht weiter an meinen Bauch zu denken, verwickelte ich einen der Bodybuilder-Schränke in ein Gespräch.
»Hallo, was sind das für Dinger da an deinen Armen?«
»Das sind Muskeln. Und was ist das da an deinem Bauch?«
Ich schaute runter: »Das da? Das ist mein Bauch. Mal im Ernst, warum hast du so viele Muskeln und ich nicht?«
»Ich hab genauso viele Muskeln wie du. Deine sind nur unter einer dicken Fettschicht verborgen«, und dann zeigte mir der Schrank ein Gerät, an dem man den Fettanteil im Körper messen kann. »Body-Index-Messung« nennt man das. Ich brauche das Ding nur anfassen, und innerhalb weniger Sekunden sagt es mir, wie fett ich bin.
»Du musst nur Alter und Größe eingeben«, klärte mich der Schrank auf.
»Muss ich ›Amerikaner‹ oder ›Nicht-Amerikaner‹ auch eingeben?«, fragte ich, aber er reagierte nicht. Also fasste ich das Ding an, und sofort leuchtete die LED -Anzeige auf: » 26 Prozent Körperfett«.
26 Prozent? Das ist doch nichts, ich hatte 100 Prozent erwartet. Oder 200 .
» 26 Prozent? Das ist doch nicht viel, oder?«, fragte ich den Wandschrank.
»Na ja, eigentlich sollte man nur zehn Prozent Körperfett haben. Wenn man fit ist.«
»Und wenn man nicht fit ist und dazu noch Amerikaner? Und wenn man nur so fit sein möchte, um keine Schmerzen zu haben und nicht an einem Herzinfarkt zu sterben?«
»Dann solltest du so unter 20 Prozent haben, das kriegst du durch Training und richtige Ernährung relativ schnell hin. Wie oft in der Woche isst
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