Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)
den man für zumindest geistig minderbemittelt hält, aber das juckte mich nicht. Es stimmte nämlich: Es gibt wahnsinnig viele Möglichkeiten, den Rücken mit Haushaltsarbeiten zu stärken. Bei uns liegen zum Beispiel immer irgendwelche Klamotten auf dem Boden rum. Unterwäsche, Socken, T-Shirts. In dem einen Zimmer findet man eine Socke, im anderen die zweite. Komischerweise handelt es sich dabei immer um meine Klamotten. Bislang war das tatsächlich ein Problem. Nicht, weil die Sachen da einfach rumliegen, das Problem ist vielmehr, wie sie da wieder wegkommen. Seit ich aber die heilende Kraft des Bückens für mich entdeckt habe, freue ich mich, wenn ich wieder mal eine Socke unter dem Wohnzimmertisch liegen sehe: »Komm, John, bück dich«, sagt dann mein innerer Orthopäde, »bück dich, du Sau, und heb das Zeug auf!«
»Du Sau«, sage ich nur, um den Reiz des Ganzen zu erhöhen. Man muss ein wenig Abwechslung ins Aufräumen bringen, sonst wird es zu schnell zu eintönig. Ich mache das jetzt seit einer Weile, und – kein Witz! – das Bücken hat mein Leben verändert. Manchmal verteile ich abends meine Sachen in der ganzen Wohnung, damit ich morgens ordentlich was zum Bücken habe. Meine Frau behauptet zwar, das hätte ich schon immer so gemacht, nun gut, jetzt mache ich es aber bewusst.
Gesundheitsbewusst.
Ansonsten halten mich meine Frau und ihr Kind für einen Spinner. Wahlweise auch für einen Penner oder geistig Verwirrten. Egal. Hauptsache Rücken, Hauptsache Bücken.
Ja, es hat sich einiges verändert. Früher bin ich aufgestanden und habe mich sofort wieder hingesetzt. Erst auf die Toilette, dann an den Küchentisch. Kein Wunder, dass ich bei so viel Herumsitzen Rückenschmerzen bekommen habe. Das ist nun vorbei. Jetzt stehe ich auf und sammle erst einmal in gebückter Haltung meine Klamotten ein. Ich bin sogar schon kurz davor, nicht mehr im Sitzen zu pinkeln: »Back to man’s nature!«, schreit es in mir, aber noch hab ich zu viel Angst vor meiner Frau.
Ja, es gibt nichts Besseres für den Rücken, als sich zu bücken und dann automatisch wieder zu strecken. Es lockert die Lendenwirbel, es streckt die Brust- und Nackenwirbel. Und das alles ohne einen Cent für irgendwelche Therapien auszugeben, einfach nur, weil die Boxershorts von vorgestern auf dem Boden liegt und entsorgt werden muss:
Fantastic!
Wenn ich nun sehe, wie sich meine Frau oder der junge Mitbewohner anschicken, etwas vom Boden aufzuheben, schreite ich sofort ein: »Nichts anfassen. Das ist mein Sportprogramm für morgen!«
Noch besser: Wenn man sich nicht nur bückt, sondern sich anschließend auch streckt, ist das ein super Workout für Schultern und Arme. Deshalb hab ich auch eine neue Leidenschaft entdeckt: Das Staubsaugen! Es ist noch nicht lange her, da habe ich gedacht, die einzig wahre Funktion eines Staubsaugers sei, mich beim Fernsehgucken zu stören. Weil meine Gattin grundsätzlich während gute Filme laufen mit dem Staubsauger zwischen mir und Angelina Jolie rumfuchtelt.
Jetzt kann ich die Funktionsweise des Gerätes besser beurteilen. Beim Staubsaugen geht es in Wahrheit ums Bücken. Um das Vor- und Zurückwippen mit den Lenden und das Strecken, während man den Staubsauger über Kopf hält und die Spinnweben aus den Ecken saugt. Ich mache das inzwischen täglich. Ach was, mehrmals am Tag. Ist der Teppich verstaubt? Ist das Sofa voller Milben? Nicht? Egal, ich sauge trotzdem!
Man muss nicht ins Fitnessstudio gehen, um etwas für den Rücken zu tun. Man muss nicht einmal mehr die Ehefrau um Sex bitten, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Das kann man alles auch so haben. Nur mit einem Sauger. Und meine Frau mache ich damit auch viel glücklicher.
Ich kann ihr jetzt Putztipps geben.
Treppensteigen
Natürlich ist es bequem, sich über sich selbst und über alle möglichen Gesundheitsratschläge lustig zu machen. Wenn ich etwas außer essen, auf dem Sofa liegen und schlechtes Fernsehen gucken richtig gut beherrsche, dann das.
Irgendwann aber ist immer der Punkt erreicht, an dem man sich den Tatsachen stellen muss. Das kann zum Beispiel das morgendliche Spiegelbild sein, das einen dümmlich angrinst: »
Hallo, John! Hallo, Bauch! Hallo, Doppelkinn! Habt ihr alle gut geschlafen?«
Oder eine Begebenheit wie diese: Ich ging in ein Laufschuhgeschäft, um mir neue Alibi-Joggingschuhe zu kaufen. Der superkompetente, astrein gebaute Dreitagebart-Verkäufer bat mich aufs Laufband, um den individuell passenden Schuh
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