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Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition)

Titel: Die Welt ist eine Bandscheibe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Doyle
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Der Eroberungstrieb in mir. Der Eroberungstrieb im Manne, insbesondere im amerikanischen Manne.
    Tatsächlich hätte ich die junge Frau nur erobern können, wenn ich sie in Vollnarkose versetzt hätte. Interviews unter Vollnarkose funktionieren jedoch nicht so gut.
    Trotzdem: Bauch rein, Brust raus. Immer wieder, denn während meiner Antworten vergaß ich meine Haltung, und der Bauch rutschte nach vorn und die Brust nach unten. Und jedes Mal, wenn die junge Dame die nächste Frage stellte, begann ich wieder von vorn: Bauch rein, Brust raus, und jedes Mal knackte es. Irgendwann war auch dieses schöne Interview vorbei, und der Techniker sagte: »Schönes Interview, leider hatten wir ein technisches Problem! Es knackte dauernd, wenn du eine Frage gestellt hast. Vermutlich ist das Mikro im Arsch.«
    Nein, das Mikro war nicht im Arsch. Es war mein Arsch, der da knackte, beziehungsweise die Wirbel, die drüber sitzen. Das sagte ich auch, und die Moderatorin hatte gleich einen guten Tipp parat.
    »Warst du schon mal bei einem Chiropraktiker? Ich kenn da einen, der ist super. Der renkt dich in null Komma nix wieder ein.«

    So bin ich also an meinen Chiropraktiker gekommen, und eines ist klar: Chiropraktiker sind keine Weichei-Mediziner. Keine Duftkerzen, keine Meditation, kein Jammern über eine schlechte Kindheit. Nein, Chiropraktiker sind Scharfrichter. Sie töten zwar eher selten, foltern dafür aber sehr geschickt und ohne den Hauch einer Spur zu hinterlassen. Ich sage nur: C h I ropr A ktik.
    So war es denn auch kein Wunder, dass mein Chiropraktiker Amerikaner war und besonders effektiv arbeitete. Er folterte sechs Patienten gleichzeitig. Man muss sich das mal vorstellen: Ein schalldichter Raum mit sechs im Kreis aufgestellten Streckbänken. Auf jeder Bank – der Folterer nannte sie »Behandlungstische« – lag ein Opfer und stöhnte. Nur eine Bank war frei.
    Meine.
    »Herr Doyle, legen Sie sich bitte dort auf den freien Behandlungstisch.«
    »Och, ich kann warten«, antwortete ich generös. »Lassen Sie sich ruhig Zeit (töten Sie doch erst, äh), machen Sie erst Ihre anderen Patienten
fertig.
«
    »Nein, Herr Doyle, das ist unser Prinzip: Wir behandeln hier alle Patienten gleichzeitig. Legen Sie sich bitte dort hin.«

    Tatsächlich: Hier wurde im Team gefoltert. Gleich drei Chiropraktiker liefen von Liege zu Liege und schlugen auf ihre Opfer ein. Offensichtlich standen die sogenannten »Patienten« unter irgendwelchen Drogen, denn erst jetzt bemerkte ich, dass ihr Stöhnen weniger mit Schmerzen als mit Lust zu tun hatte. Dabei wurde die Gewalt nicht nur von oben ausgeübt, die Streckbänke selbst wurden an verschiedenen Stellen hoch- und runtergelassen, immer verbunden mit einem lauten Knackgeräusch. Einem doppelten Knackgeräusch – die Gelenke der Patienten knackten im Takt mit. Und dann knackte ich, während der Chiropraktiker meinen Hals würgte und durch gezielte Schläge meine Wirbelsäule brach – was er »begradigen« nannte.
    Nein, das war keine Medizin für Weicheier. Osteopathen verhalten sich zu Chiropraktikern wie Appe-Ecken-Schule (Waldorf-Schule) zu »Marine Boot Camp«. Chiropraktiker sind wie U.S. Marines, die kurz vor dem Absprung aus dem Flugzeug sagen: »Who needs fucking Fallschirme! We’re marines asshole!«

    Aber zurück zu
meiner
Folter. Gerade wieder setzte der Herr über mir zum Würgegriff an, während er mir weismachen wollte, meinen Nacken einrenken zu wollen. Das aber war nur ein Vorwand: In Wahrheit wollte er ein Geständnis. Er wollte, dass ich sage: »Ja, ich bin ein feindlicher Kämpfer! Ja, bringt mich in die Sonne Kubas, bringt mich nach Guantanamo! Ich hab’s verdient!« Auf jeden Fall schossen mir 1000 Gedanken durch den Kopf: »Shit! Hoffentlich geht das gut! Hoffentlich überlebe ich das. Wenigstens gelähmt.« Der Chiropraktiker sah meine Angst in den Augen. Ach was, er roch sie förmlich.
    »Wovor fürchten Sie sich, Herr Doyle?«
    »Keine Ahnung. Vor dem Tod vielleicht oder einer Querschnittslähmung?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen!« Ein schräges Lachen verzog das Gesicht des CIA -Folterknechts. »So etwas passiert bei uns ganz selten.« Der Ami in mir hätte gelacht, aber der Deutsche fragte besorgt weiter.
    »Wie selten?«
    »Also,
diese
Woche noch gar nicht.« Der Mann war wie eine Packungsbeilage: »In seltenen Fällen kann es zu Gehirnblutungen kommen«, und ich fragte mich: Wie selten? Einmal in fünf Fällen oder einmal in 500 Millionen?

    Ich weiß

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