Die Welt ohne uns
Erde noch nicht gegeben hatte. Diese Strahlenpegel steigen immer noch, und obwohl wir hoffen, sie im Laufe der nächsten fünfzig Jahre in den Griff zu bekommen, könnte unser vorzeitiges Verschwinden sie weit länger auf diesem erhöhten Niveau belassen.
Die UV-Strahlung trug zur Entstehung des Lebens in der uns bekannten Form bei – und paradoxerweise schuf sie sogar die Ozonschicht, die uns teilweise vor ihr schützt. Als ganz am Anfang dieser Entwicklung der Urbrei an der Oberfläche des Planeten von der Sonne mit ungefilterter UV-Strahlung beschossen wurde, nahm in einem entscheidenden Augenblick – vielleicht ausgelöst durch einen Blitzschlag – die erste biologische Molekularmischung Gestalt an. Unter den hoch energetischen ultravioletten Strahlen mutierten diese lebenden Zellen rasch, sodass ihr Stoffwechsel bald in der Lage war, anorganische Verbindungen in organische umzuwandeln. Schließlich reagierte eine dieser Verbindungen auf die Anwesenheit von Kohlendioxid und Sonnenlicht in der Uratmosphäre, indem sie einen neuen Abfallstoff ausschied: Sauerstoff.
Damit hatten die UV-Strahlen ein neues Ziel. Sie suchen sich verbundene Atompaare des Sauerstoffs – O 2 -Moleküle – und brechen deren Bindung. Die beiden separaten Sauerstoffatome hängen sich sofort an O 2 -Moleküle in der Nähe und bilden so O 3 : Ozon. Doch ultraviolette Strahlen spalten das zusätzliche Atom des Ozons rasch wieder ab, sodass wieder Sauerstoff entsteht; ebenso rasch lagert sich das freie Atom einem anderen Paar an und bildet abermals Ozon, bis es weitere UV-Strahlung aufnimmt und sich wieder ablöst.
Allmählich stellte sich rund fünfzehn Kilometer über der Erdoberfläche ein Gleichgewichtszustand her: Ständig bildete die UV-Strahlung Ozon, spaltete und fügte es wieder zusammen, sodass sie dadurch teilweise die Erdoberfläche gar nicht erreichte. In dem Maße, wie sich die Ozonschicht stabilisierte, tat es auch das Leben auf der Erde, das von dieser Schicht abgeschirmt wurde. Schließlich entwickelten sich Arten, welche die früheren Stärken der UV-Strahlung nicht ertragen hätten. Irgendwann gehörten auch wir dazu.
Bald nach dem Beginn des Lebens hatte das Sauerstoff-Ozon-Gleichgewicht einen relativ stabilen Zustand angenommen. Das änderte sich, als wir in den dreißiger Jahren anfingen, Fluorchlorkohlenwasserstoffe, synthetische Chlorverbindungen, die als Kühlmittel eingesetzt werden, herzustellen. Diese FCKWs, wie ihre Abkürzung lautet, schienen so beruhigend inaktiv zu sein, dass man sie für Sprühdosen und Asthma-Inhalatoren verwendete und Polymere damit aufschäumte, um Einwegbecher und Laufschuhe zu produzieren.
1974 fragten sich die Chemiker F. Sherwood Rowland und Mario J. Molina von der University of California in Irvine, was aus diesen reaktionsträgen FCKWs wird, wenn die Kühlschränke und anderen Produkte, die sie enthalten, verschrottet werden oder verrotten. Sie gelangten zu dem Schluss, dass die fast unzerstörbaren FCKWs wohl in die Stratosphäre aufsteigen und dort ihren Meister in Gestalt der energiereichen UV-Strahlung finden: In dem molekularen Gemetzel wird reines Chlor freigesetzt, ein gefräßiger Jäger jener ungebundenen Sauerstoffatome, deren Vorhandensein die UV-Strahlen von der Erde fernhält.
Niemand schenkte Rowland und Molina viel Aufmerksamkeit, bis Joe Farman, ein britischer Antarktisforscher, 1985 entdeckte, dass ein Teil des Himmels fehlte. Jahrzehntelang hatten wir Chlor zu unserem UV-Schutzschirm hinaufgepumpt und diesen dadurch allmählich aufgelöst. Seither bemüht sich die Staatengemeinschaft in noch nie dagewesener Zusammenarbeit, die Ozonkiller abzubauen. Die Ergebnisse sind ermutigend, aber noch immer nicht befriedigend: Die Ozonzerstörung hat sich verlangsamt, aber es gibt einen blühenden Schwarzmarkt für FCKWs und einige werden sogar immer noch legal produziert – für »inländische Grundbedürfnisse« der Entwicklungsländer. Sogar die Ersatzstoffe, die wir heute meist verwenden, die teilhalogenisierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die H-FCKWs, sind lediglich etwas weniger aggressive Ozonkiller, die ebenfalls aus dem Verkehr gezogen werden sollen – obwohl die Frage, womit sie wiederum ersetzt werden sollen, noch unklar ist.
Ganz abgesehen von der Schädigung der Ozonschicht sind die teilhalogenisierten H-FCKWs und die FCKWs – sowie ihre häufigsten chlorfreien Ersatzstoffe, die FKWs – um ein Vielfaches schlimmere Treibhausgase als Kohlendioxid.
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