Die Welt ohne uns
Mexicos, ähnlich den Speicherkavernen für chemische Stoffe unterhalb Houstons. Die Waste Isolation Pilot Plant (WIPP), seit 1999 in Betrieb, ist ein Endlager für radioaktive Abfälle aus Kernwaffen und der militärischen Forschung. Sie kann rund 180000 Kubikmeter Abfall aufnehmen, das entspricht etwa 900000 Zweihundert-Liter-Fässern. Tatsächlich wird ein Großteil des plutoniumverseuchten Abfalls in solchen Fässern geliefert und gelagert.
Die WIPP wurde nicht gebaut, um radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken zu lagern, die allein in den Vereinigten Staaten jedes Jahr um 3000 Tonnen anwachsen. Es handelt sich um ein Endlager nur für sogenannte schwach- und mittelaktive Abfälle. Dinge wie Handschuhe für die Waffenmontage, Schutzüberzüge für Schuhe und Lappen voller kontaminierter Reinigungsmittel, mit denen man die Kernwaffen auf Hochglanz brachte. Dazu gehören zerlegte Fertigungsmaschinen für diese Waffen und sogar die Wände der Montageräume. Die Abfälle treffen auf eingeschweißten Paletten ein: verstrahlte Stücke von Rohren, Aluminiumleitungen, Gummi, Kunststoff, Zellulose und kilometerlange Stromkabel. Nach den ersten fünf Jahren war die Einlagerungskapazität der WIPP bereits zu 20 Prozent erschöpft.
Diese Abfälle stammen aus zwei Dutzend Hochsicherheitsanlagen in den gesamten USA, beispielsweise aus der Hanford Nuclear Reservation in Washington, wo das Plutonium für die Nagasaki-Bombe aufbereitet, und aus Los Alamos, New Mexico, wo sie gebaut wurde. 2000 griffen von zwei Seiten Waldbrände auf sie über. Nach offiziellen Berichten konnten nicht unter der Erde gelagerte radioaktive Abfälle gesichert werden – doch in einer Welt ohne Feuerwehrleute sähe das ganz anders aus. Von der WIPP abgesehen, gibt es in den USA für nukleare Abfälle nur vorläufige Unterbringungsmöglichkeiten. Wenn sich daran nichts ändert, werden diese Lager irgendwann in Brand geraten, woraufhin radioaktive Wolken über den Kontinent und vermutlich auch über die Meere ziehen.
Die erste Anlage, die ihre Abfälle an die WIPP lieferte, war Rocky Flats, eine militärische Einrichtung auf der Hochebene eines Gebirgsausläufers 26 Kilometer nordwestlich von Denver. Bis 1989 stellten die Vereinigten Staaten in Rocky Flats Plutoniumzünder für Atomwaffen her, wobei ihre Sicherheitsvorkehrungen den gesetzlichen Vorschriften nicht so ganz genügten. Jahrelang wurden Tausende Fässer Kühlflüssigkeit, die mit Plutonium und Uran schwer verunreinigt war, im Freien auf nackter Erde gestapelt. Als schließlich jemand bemerkte, dass sie leckten, wurden die Beweise unter einer Asphaltdecke begraben. Rocky Flats' radioaktive Abwässer gelangten häufig in die umliegenden Bäche; in dem absurden Versuch, das Versickern aus gerissenen Verdunstungsbecken zu verlangsamen, mischte man Zement in den Schlamm; außerdem entwich regelmäßig Strahlung in die Luft. Nach einer FBI-Razzia wurde die Anlage 1989 schließlich geschlossen. Im neuen Jahrtausend wurden mehrere Milliarden Dollar für Sanierungsmaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit aufgewandt, um Rocky Flats in ein staatliches Naturschutzgebiet umzuwandeln.
Eine ähnlich wundersame Mutation erlebte das alte Rocky Mountain Arsenal neben dem Internationalen Flughafen von Denver. RMA war eine Chemiewaffenfabrik, in der Senf- und Nervengas, Brandbomben und Napalm hergestellt wurden – in Friedenszeiten produzierte man Insektizide; das Kerngelände galt einst als die kontaminierteste Quadratmeile der Erde. Nachdem im Sicherheitsgürtel der Anlage Dutzende von Seeadlern angetroffen wurden, die sich an der umfangreichen Population von Präriehunden gütlich taten, wurde auch dieses Fabrikgelände in einen Nationalpark umgewandelt. Dazu musste ein See trockengelegt und versiegelt werden, auf dem Enten einst schon wenige Augenblicke nach ihrer Landung verendeten und wo die Böden der Aluminiumboote, mithilfe derer man die Kadaver einsammelte, binnen eines Monats verrotteten. Obwohl man die Giftschwaden im Grundwasser noch weitere hundert Jahre bekämpfen und überwachen will, bis sie hinreichend verdünnt sind, finden schon heute elchgroße Maultierhirsche auf einem Gelände Zuflucht, das früher noch nicht einmal die Menschen zu betreten wagten.
Ein Jahrhundert spielt jedoch kaum eine Rolle bei Uranund Plutoniumrückständen, deren Halbwertszeiten erst bei 24000 Jahren beginnen. Das waffenfähige Plutonium aus Rocky Flats wurde nach South Carolina in die militärische
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