Die Welt ohne uns
leicht abgebaut werden, etwa Pappe oder Weidengeflecht – oder überhaupt keine Särge: nicht einbalsamierte, in Tücher gehüllte Leichen, die direkt in die Erde gelegt werden, damit sie die noch vorhandenen Nährstoffe gleich an die Erde zurückgeben können. Obwohl die meisten Menschen im Lauf der Geschichte wohl auf diese Art begraben wurden, ist diese Bestattungsart in den USA und Europa nur teilweise gestattet, ebenso wie der grüne Grabsteinersatz: ein Baum, auf das Grab gepflanzt, damit er sich von dem Totennähre.
Die Bestattungsindustrie in den USA dagegen hält am Wert der Konservierung fest und empfiehlt etwas noch Beständigeres. Anstelle der Sarghüllen aus Beton, die als roh und unschön gelten, empfehlen sie Bronzesarkophage, die so dicht sind, dass sie bei einer Überschwemmung aufsteigen und auf dem Wasser schwimmen würden, obwohl sie so viel wiegen wie ein Auto.
Laut Michael Pazar, Vizepräsident bei Wilbert Funeral Services in Chicago, dem größten Hersteller solcher Beerdigungsbunker, liegt das Problem darin, »dass Gräber im Gegensatz zu Kellern keine Lenzpumpen haben«. Die Drei-Schichten-Lösung seines Unternehmens hält garantiert dem Druck einer Wassersäule von zwei Metern stand – das heißt, sie schließt auch dann noch dicht, wenn ein steigender Grundwasserspiegel den Friedhof in einen Teich verwandelt. Die Sarghülle besitzt einen Betonkern, der von rostfreier Bronze umgeben und innen wie außen mit ABS verkleidet ist – Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat, dem vielleicht robustesten, schlag- und feuerbeständigsten Kunststoff, den es gibt.
Sein Deckel ist mit einer patentierten Butylsiegelmasse verschlossen, die sich unauflöslich mit dem Kunststoffüberzug verbindet. Diese Masse, so Pazar, könnte der stärkste Schutz überhaupt sein. »Der Sarg wurde erhitzt, mit UV-Strahlung beschossen, in Säure getaucht. Testberichte besagen, dass er Jahrmillionen halten wird. Stellen Sie sich mal die Archäologen in ferner Zukunft vor, wie sie sich den Kopf über diese rechteckigen Butylringe zerbrechen.«
Allerdings werden sie kaum Spuren von den Toten finden, für die alle diese Kosten, Chemie, strahlenresistenten Polymere, gefährdeten Harthölzer und Schwermetalle aufgeboten wurden. Ohne weitere Nahrung zur Verarbeitung zu erhalten, verflüssigen die Körperenzyme alles, was die Gewebebakterien nicht verdauen, sodass sich das Ergebnis dieser Prozesse einige Jahrzehnte lang mit dem sauren Gebräu der Einbalsamierungssäfte mischt. Das wird ein weiterer Test für die Versiegelung und die ABS-Beschichtung sein, doch den dürften sie leicht bestehen und sogar unsere Knochen überdauern. Sollten jene Archäologen eintreffen, bevor Bronze, Beton und alles andere außer der Butylversiegelung zerfallen sind, wird von uns nichts geblieben sein als ein bisschen Menschensuppe.
Wüsten wie die Sahara, die Gobi und Chiles Atacama, in denen es kaum Feuchtigkeit gibt, produzieren durch Austrocknung gelegentlich auf natürlichem Wege menschliche Mumien, mit erhaltenen Kleidungsstücken und Haaren. Tauende Gletscher und Permafrostböden geben hin und wieder Tote frei, die vor langer Zeit gestorben sind, unheimliche Vorgänger von uns – so zum Beispiel Ötzi, den in Fell und Leder gekleideten Bronzezeitjäger, der 1991 in den italienischen Alpen gefunden wurde.
Wir alle, die wir heute leben, haben allerdings kaum Aussichten, eine so dauerhafte Spur zu hinterlassen. Heutzutage ist es unwahrscheinlich, dass jemand von uns nach seinem Tod mit einem Schlamm bedeckt wird, dessen reichlich vorhandene Mineralien nach und nach sein Knochengewebe ersetzen, bis er in skelettförmiges Gestein verwandelt worden ist. Gerade durch unsere extravaganten Schutzvorkehrungen nehmen wir uns heute selbst die Möglichkeit eines tätsächlich dauerhaften Denkmals: unseres Fortlebens als Versteinerung.
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir alle zusammen, und das sogar schon bald, verschwinden, ist gering, aber durchaus vorhanden. Die Wahrscheinlichkeit, dass nur wir Menschen sterben und alles andere bleibt, ist noch geringer, aber dennoch größer als null. Dr. Thomas Ksiazek, Leiter der Pathologie an den US Centers for Disease Control, forscht über Krankheitserreger, die Millionen Menschen auslöschen könnten. Ksiazek war früher für die US-Army als veterinärmedizinischer Mikrobiologe und Virologe tätig. Seine Zuständigkeit reichte von den Gefahren durch biologische Waffen bis zu den Risiken, die durch
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