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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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langen Fangzähnen und beunruhigend große Geparden. Wölfe, Bären und Löwen, so riesig, dass es sich um einen Albtraum handeln muss.
    Ein Traum oder das Produkt unseres kollektiven Gedächtnisses? Denn genau so sah die Welt aus, in die Homo sapiens hereinplatzte, als er über Afrikas Grenzen hinaus bis nach Amerika gelangte. Existierten diese ausgestorbenen Säugetiere noch, wenn es uns nie gegeben hätte? Werden sie wiederkehren, wenn wir verschwinden?
    Unter den vielen Bezeichnungen, mit denen amtierende US-Präsidenten im Laufe der Geschichte bedacht wurden, fällt der Beiname, der Thomas Jefferson von seinen Gegnern verpasst wurde, deutlich aus dem Rahmen: »Mr. Mammoth«. Ein Außenhandelsembargo, das den Export amerikanischer Güter nach Europa unterbinden sollte, war auf seinen Urheber zurückgefallen. Die USA litten unter den beschränkten Handelsmöglichkeiten: Während die amerikanische Wirtschaft zusammenbreche, so höhnten seine Gegner, sitze Präsident Jefferson im East Room des Weißen Hauses und spiele mit seiner Fossiliensammlung.
    Daran war durchaus etwas Wahres. Jefferson, ein passionierter Naturforscher, war schon seit Jahren von Berichten über riesige Knochen fasziniert, die man rund um eine Salzlecke in der Wildnis Kentuckys gefunden hatte. Beschreibungen ließen darauf schließen, dass sie den Überresten einer riesigen, nach Meinung der Forscher ausgestorbenen Elefantenart ähnelten, die man in Sibirien gefunden hatte. Afrikanische Sklaven hatten große Backenzähne, die man in Carolina fand, für Elefantenzähne gehalten und Jefferson war sich sicher, dass es sich hier um Überreste derselben Art handelte. 1796 erhielt er eine Ladung vermeintlicher Mammutknochen aus Greenbriar County in Virginia, doch eine riesige Klaue machte ihm sogleich klar, dass er es hier mit etwas anderem zu tun hatte, möglicherweise einer riesigen Löwenrasse. Nach Gesprächen mit Anatomen erkannte er schließlich, worum es sich handelte, und so konnte er das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, die erste Beschreibung eines Jefferson'schen Riesenfaultiers geliefert zu haben, heute unter dem Namen Megalonyx jeffersoni bekannt.
    In besondere Aufregung versetzten ihn jedoch Aussagen von Indianern aus der Nachbarschaft der Salzlecke in Kentucky, die besagten, dass die stoßzahnbewehrten Kolosse im Norden noch lebten. Diese Berichte wurden von Indianerstämmen weiter westlich bestätigt. Nachdem Jefferson Präsident geworden war, beauftragte er 1804 seinen ehemaligen Privatsekretär Meriwether Lewis und den Offizier William Clark, nicht nur das gerade erworbene Territorium Louisiana zu durchqueren und einen nordwestwärts verlaufenden Wasserweg zum Pazifik zu finden, sondern auch nach lebenden Mammuts, Mastodonten oder ähnlich großen und ungewöhnlichen Tieren zu suchen.
    Dieser Teil der ansonsten höchst erfolgreichen Expedition von Lewis und Clark erwies sich als Fehlschlag; die eindrucksvollsten Großsäuger, von denen sie zu berichten wussten, waren die Dickhornschafe. Später begnügte sich Jefferson damit, Clark nach Kentucky zurückzuschicken, um die Mammutknochen zu holen und im Weißen Haus auszustellen. Heute gehören sie Museumssammlungen in den Vereinigten Staaten und Frankreich. Häufig wird Jefferson als Begründer der wissenschaftlichen Paläontologie gerühmt, obwohl er lediglich die Auffassung eines namhaften französischen Wissenschaftlers widerlegen wollte, derzufolge alles in der Neuen Welt dem Vergleich mit der Alten nicht standhalte, einschließlich der Fauna und Flora.
    Jefferson befand sich auch in einem grundlegenden Irrtum über die Bedeutung der fossilen Knochen. Er war überzeugt, dass sie zu einer lebenden Art gehörten, weil er nicht glauben mochte, dass Tiere einfach aussterben können. Obwohl Jefferson vielfach als wichtigster Intellektueller der amerikanischen Aufklärung gilt, entsprechen seine Überzeugungen nicht selten den Auffassungen vieler Deisten und Christen unserer Tage, dass nämlich in einer vollkommenen Schöpfung nichts, was einmal geschaffen wurde, wieder verschwinden könnte.
    Sein Credo formulierte er jedoch als Naturforscher: »So haushälterisch ist die Natur, dass sich kein Fall finden lässt, in dem sie einer einzigen Rasse ihrer Tiere gestattet hätte auszusterben.« Dieser Wunsch durchzog viele seiner Schriften: Er wollte, dass diese Tiere lebten, dass er sie irgendwann zu Gesicht bekam. Dieser Wissensdrang veranlasste ihn zur Gründung der University of

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