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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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nahöstlicher Getreidesorten und Viehzucht ersetzt. Die Menschen dieser Region luden ihr Hab und Gut und sich selbst auf einen unlängst gezähmten Nachkommen eines amerikanischen Huftiers, dem die Flucht gelungen war, bevor seine in der Heimat verbliebenen Vettern dem großen Massaker zum Opfer fielen – dem Kamel.
    Kamele fressen Gras; Gras braucht Wasser. Genauso wie die Feldfrüchte, deren Fülle eine Bevölkerungsexplosion auslöste. Mehr Menschen brauchten mehr Herden, Weideland, Äcker und Wasser – all das genau zum falschen Zeitpunkt. Niemand konnte wissen, dass sich die Häufigkeit und Menge der Niederschläge verändert hatte. So breiteten sich die Menschen und ihre Herden weiter aus und die Beweidung intensivierte sich, weil alle annahmen, über kurz oder lang würde es wieder mehr Regen geben und alles wieder wie früher wachsen.
    Doch es kam anders. Je mehr Wasser verbraucht wurde, desto weniger Feuchtigkeit verdunstete himmelwärts und desto weniger regnete es. Das Ergebnis war die heiße Sahara, die wir heute kennen. Nur dass sie damals kleiner war: Im Laufe des letzten Jahrhunderts ist die Zahl der Menschen und ihrer Weidetiere gestiegen, und jetzt steigen auch die Temperaturen. Das bringt die Sahelländer im gefährdeten Subsahara-Streifen an den Rand des Versandens.
    Weiter südlich, am Äquator, hüteten die Afrikaner ihre Tiere schon seit einigen Jahrtausenden in Herden und jagten sie noch weit länger, doch zwischen den wild lebenden Tieren und den Menschen hatte sich eine Beziehung entwickelt, die beiden nützte: Wenn ein Hirtenvolk wie die Massai in Kenia seine Rinder zwischen Weiden und Wasserlöchern hütete, jederzeit bereit, Löwen mit ihren Speeren zu vertreiben, stellten sich Gnus ein, um von dem Schutz vor Raubtieren zu profitieren. Ihnen folgten ihre ständigen Begleiter, die Zebras. Die Nomaden schränkten den Fleischverzehr aus Sparsamkeitsgründen ein und lernten stattdessen von der Milch und dem Blut ihrer Herdentiere zu leben; das Blut gewannen sie, indem sie vorsichtig die Halsschlagader ihrer Rinder öffneten und wieder verschlossen. Nur wenn die Trockenheit das Futter für ihre Herden knapp werden ließ, begannen sie wieder zu jagen oder trieben Tauschhandel mit den Stämmen der Buschleute, die noch immer von der Jagd lebten.
    Dieses Gleichgewicht zwischen Menschen, Flora und Fauna begann sich erstmals zu verändern, als Menschen selbst zur Beute wurden oder – besser – zur Ware. Wie unsere Verwandten, die Schimpansen, haben wir uns seit ältesten Zeiten wegen Territorien und Paarungspartnern gegenseitig umgebracht. Doch mit der Entwicklung der Sklaverei bekam der Mensch einen neuen Status: den eines Exportartikels.
     
    Die Spuren, welche die Sklaverei in Afrika hinterlassen hat, sind noch heute im Südosten Kenias zu sehen, in der rauen und struppigen Landschaft von Tsavo, einer unheimlichen Region, die geprägt ist von Lavaflüssen, flachkronigen Schirmakazien, Myrrhe sträuchern und Affenbrotbäumen. Da Tsavos Tsetsefliegen die Hirtenvölker abschreckten, blieb es ein Jagdrevier der Buschleute vom Stamm der Wata. Ihr Wild waren Elefanten, Giraffen, Kaffernbüffel, verschiedene Gazellen, Klippspringer und eine weitere gestreifte Antilope: der Kudu, dessen korkenzieherförmige Hörner die erstaunliche Länge von einem Meter achtzig erreichen.
    Bestimmungsland der schwarzen Sklaven Ostafrikas war nicht Amerika, sondern Arabien. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Mombasa an der kenianischen Küste der Umschlaghafen für Menschenmaterial, das Ende eines langen Handelswegs arabischer Sklavenhändler, die sich ihre Ware mit Waffengewalt in zentralfrikanischen Dörfern beschafften. Die zukünftigen Sklaven marschierten barfuß in Karawanen vom Rift herunter, angetrieben von ihren bewaffneten Entführern, die auf Eseln nebenherritten. Während des Abstiegs nach Tsavo wuchs die Hitze und verdichteten sich die Schwärme der Tsetsefliegen. Die Sklavenhändler, ihre bewaffneten Treiber und die Gefangenen, die überlebt hatten, gelangten in die von Feigenbäumen beschattete Oase Mzima Springs. Ihre Wasserbecken voller Dosenschildkröten und Flusspferde wurden täglich durch fast 200 Millionen Liter Grundwasser gespeist, die 50 Kilometer entfernt aus porösen vulkanischen Hügeln sprudelten. Tagelang machten die Sklavenkarawanen hier Rast und ließen sich von den Wata-Jägern gegen Bezahlung ihre Fleischvorräte auffüllen. Die Sklavenstraße war zugleich die Elfenbeinstraße und

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