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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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Staat den Grundstückseignern Entschädigungen dafür zahlte, dass sie die Tiere über ihren Besitz wandern ließen. Allerdings stehen die Chancen dafür schlecht, denn alle fürchten, die Elefanten würden ihre Gärten zertrampeln oder Schlimmeres anrichten.
    Heute will David Western eine Elefantenzählung vornehmen – wie er es seit fast dreißig Jahren kontinuierlich getan hat. Als Sohn eines britischen Großwildjägers ist er in Tansania aufgewachsen und hat als Junge seinen Vater oft tagelang begleitet, ohne einen Menschen zu sehen. Das erste Tier, das er schoss, war sein letztes; der Blick in die Augen des sterbenden Warzenschweins nahm ihm jede weitere Lust auf die Jagd. Nachdem der Vater den Stoßzähnen eines Elefanten zum Opfer gefallen war, zog die Mutter mit ihren Kindern in das vergleichsweise sichere London. David studierte dort Zoologie und kehrte dann nach Afrika zurück.
    Eine Stunde südöstlich von Nairobi taucht der Kilimandscharo auf, dessen schrumpfende Gletscher wie Butter unter der Sonne schmelzen. Zu seinen Füßen heben sich grüne Sümpfe von einer braunen alkalischen Senke ab. Sie werden von Quellen gespeist, die auf den feuchten Hängen des Vulkans entspringen. Das ist der Amboseli-Nationalpark, einer der kleineren afrikanischen Nationalparks, aber extrem wildreich, ein obligatorisches Ziel für Touristen, die auf ein Foto von Elefanten vor dem Kilimandscharo hoffen. Früher wanderten die Tiere während der Trockenzeit in Amboselis Sumpfoase, um sich von Rohrkolben und Riedgras zu ernähren. Jetzt bleiben sie immer hier. »Von Natur aus sind Elefanten nicht standorttreu«, meint Western, während er über einige Dutzend Elefantenkühe und Kälber hinwegfliegt, die nicht weit von einer trägen Flusspferdherde durchs Wasser waten.
    Von hoch oben betrachtet scheint die Ebene, die den Park umgibt, von Riesensporen befallen zu sein. Das sind die bomas des Hirtenvolks der Massai: ringförmig angeordnete Hütten aus Schlamm und Dung, einige bewohnt, andere verlassen und wieder mit dem Erdreich verschmelzend. Jede boma ist durch einen Schutzring aus aufgeschichteten, dornenbewehrten Akazienzweigen geschützt. Der hellgrüne Fleck in der Mitte jedes Lagers ist die Weide, auf der die nomadisch lebenden Massai ihre Rinder bei Nacht vor Raubtieren schützen, bevor sie mit ihren Tieren und Familien zum nächsten Weidegrund weiterziehen.
    Wenn die Massai fortgehen, kommen die Elefanten. Seit der Zeit, als die Menschen nach der Austrocknung der Sahara erstmals Rinder aus Nordafrika hierher brachten, hat sich ein festes Zusammenspiel von Elefanten und Nutzvieh herausgebildet. Nachdem die Rinder das Savannengras abgefressen haben, breiten sich dort Sträucher und kleine Bäume aus. Schon bald sind diese hoch genug, um den Elefanten als Nahrung dienen zu können, die mit ihren Zähnen die nahrhafte Rinde abschälen, die Bäume niederbrechen, um an ihre zarten Wipfel zu kommen, und damit den Weg für die Rückkehr des Grases bereiten.
    Als Student saß David Western einmal auf einem Hügel im Amboseli-Park und zählte die Kühe, die von Massai-Hirten zum Grasen geführt wurden, während aus der anderen Richtung die Elefanten kamen, um zu äsen. Die Zählung von Rindern, Elefanten und Menschen, die er damals begann, hat er unermüdlich fortgesetzt in seinen späteren Funktionen als Direktor des Amboseli-Parks, Leiter des Kenya Wildlife Service und Begründer des gemeinnützigen African Conservation Centre, das sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebensräume wild lebender Tiere dadurch zu schützen, dass es die Menschen, die diese Lebensräume seit alters teilen, einbezieht und nicht ausschließt.
    Er geht auf knapp hundert Meter herunter und beginnt große Kreise im Uhrzeigersinn zu fliegen, wobei die Maschine eine Schräglage von 30 Grad bekommt. Er zählt einen Ring von dungverputzten Hütten – eine Hütte pro Ehefrau: Einige wohlhabende Massai haben bis zu zehn. Überschlägig berechnet Western die Zahl der Bewohner und verzeichnet 77 Rinder auf seiner Vegetationskarte. Die Flecken, die von oben aussehen wie Blutstropfen auf einer grünen Fläche, erweisen sich als die Massai-Hirten: hochgewachsene, geschmeidige dunkelhäutige Männer in ihren traditionellen rotkarierten Umhängen – traditionell zumindest seit dem 19. Jahrhundert, als schottische Missionare Schottentücher, shukas, verteilten, welche die Massai-Hirten auf ihren wochenlangen Wanderungen mit den Herden als warm und leicht genug

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