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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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des Grabens bilden. Es ist baumlos, aber mit Beständen zwanzig Meter hoher Riesenheide, von der dichte Flechtenvorhänge herabhängen. Bodendeckende Lobelie türmt sich zu einer Höhe von zwei Meter fünfzig auf und sogar das Kreuzkraut, das wir eigentlich nur als Unkraut kennen, mutiert hier zu neun Meter hohen Stämmen mit kohlkopfartigen Wipfeln, umgeben von riesigen Grasbüscheln.
    Kein Wunder, dass die Nachkommen des frühen Homo, die hier aus dem Graben hinaufkletterten und heute den kenianischen Hochlandstamm der Kikuyu bilden, der Meinung waren, hier habe Ngai – Gott – sein Reich. Vom Wind im Riedgras und den Stimmen der Bachstelzen abgesehen, herrscht andächtige Stille. Rinnsale, von gelben Astern gesäumt, fließen lautlos durch die feuchten, hügeligen Wiesen, die vom Regen so durchweicht sind, dass die Bäche über die Ufer zu treten scheinen. Die stark im Rückgang begriffene Elenantilope – Afrikas größte Antilopenart, gut zwei Meter hoch und fast 700 Kilo schwer, mit spindelförmigen Hörnern von knapp einem Meter Länge – sucht in diesen eisigen Höhen Zuflucht. Für das meiste Wild liegt das Moor zu hoch, ausgenommen für die Wasserböcke – und die Löwen, die ihnen an den Wasserstellen auflauern, im Farn verborgen.
    Von Zeit zu Zeit erscheinen Elefanten, eine große Elefantenkuh mit ihren Kleinen, die auf der Suche nach ihren täglichen 200 Kilo Pflanzennahrung durch den Rotklee stapft und das riesige Johanniskrautdickicht zertritt. Achtzig Kilometer östlich des Aberdare-Gebirges, jenseits eines flachen Tals, hat man Elefanten nahe der Schneegrenze des über 5000 Meter hohen Mount Kenya beobachtet. Die Losung einzelner Afrikanischer Elefanten, die weit anpassungsfähiger sind als ihre ausgestorbenen Vettern, die Wollmammute, kann man von den Höhen des Mount Kenya oder dem kalten Aberdare-Gebirge bis hinab in Kenias Samburo-Wüste verfolgen, ein Höhenunterschied von mehr als 3000 Metern. Heute zerteilt der Lärm der Menschheit die Korridore, die diese drei Lebensräume verbinden. Die Elefantenpopulationen der Aberdare-Kette, des Mount Kenya und der Samburo sind sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr begegnet.
    Unterhalb des Moors umgibt ein 300 Meter breiter Streifen mit Bambusstauden die Aberdare-Berge, ein Refugium für den fast ausgestorbenen Bongo, einen weiteren gestreiften afrikanischen Tarnkünstler: die größte afrikanische Waldantilope. In einem Bambusgehölz, so dicht, dass es für Hyänen und sogar Pythons unzugänglich ist, ist der einzige Fressfeind des spindelhörnigen Bongos ein Tier, das eine Seltenheit in den Aberdare-Bergen darstellt: der Schwarze Panther. Der feuchtheiße Regenwald des Aberdare-Gebirges beherbergt ferner Schwarze Servals und eine schwarze Rasse der Afrikanischen Goldkatze.
    Es ist einer der unberührtesten Flecken Kenias, mit Kampferbäumen, Zedern und Crotonbäumen, die so dicht mit Lianen und Orchideen bewachsen sind, dass sich dort sechs Tonnen schwere Elefanten mühelos verbergen können. Was auch die gefährdetste aller afrikanischen Arten tut: das Schwarze Nashorn. Heute gibt es in Kenia noch 400 von den 20000, die dort 1970 lebten, der Rest wurde seiner Hörner wegen erlegt, die Preise von 25 000 Dollar pro Stück erzielen – im Orient wegen ihrer angeblichen medizinischen Eigenschaften und im Jemen, weil sie begehrte Griffe für Prunkdolche sind. Die geschätzten siebzig schwarzen Nashörner in den Aberdare-Bergen sind die letzten, die sich noch in ihrem ursprünglichen natürlichen Lebensraum befinden.
    Einst verbargen sich dort auch Menschen. Zur Kolonialzeit gehörten die gut bewässerten, vulkanischen Aberdare-Hänge den britischen Tee- und Kaffeepflanzern, deren Plantagen sich mit Schaf- und Rinderfarmen abwechselten. Die Ackerbau treibenden Kikuyu mussten sich mit shambas zufriedengeben, kleinen Halbpachtflächen, die alles waren, was ihnen von ihrem Land geblieben war. 1953 organisierten sie sich im Schutz des Aberdare-Walds. Die Kikuyu-Guerilleros lebten von wilden Feigen und den Bachforellen, welche die Briten in den Aberdare-Bächen ausgesetzt hatten. Von dort aus terrorisierten sie die weißen Großgrundbesitzer, ein Aufstand, der unter dem Namen Mau-Mau-Revolte bekannt wurde. Die Krone schickte Truppen und bombardierte die Aberdare-Berge und den Mount Kenya. Tausende von Kenianern fielen im Kampf oder wurden gehängt, knapp hundert Briten verloren ihr Leben, doch 1963 wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der unaufhaltsam zur

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