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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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jeder Elefant, der ihnen begegnete, wurde seiner Stoßzähne wegen erlegt. Mit wachsender Nachfrage übertraf der Preis für Elfenbein schließlich den für Sklaven, woraufhin diese fast nur noch als Elfenbeinträger eingesetzt wurden.
    In der Nähe von Mzima Springs trat das Wasser erneut an die Oberfläche und bildete den Tsavo River, der schließlich ins Meer mündete. Mit ihren schattigen Eukalyptus- und Palmenhainen war diese Route unwiderstehlich, doch der Preis für ihre Nutzung war häufig Malaria. Schakale und Hyänen folgten den Karawanen und Tsavos Löwen erwarben sich einen Ruf als Menschenfresser, indem sie sich über die sterbend zurückgelassenen Sklaven hermachten.
    Bis weit ins 19. Jahrhundert, als die Briten dem Sklavenhandel ein Ende machten, ließen Tausende von Elefanten und Menschen entlang der Elfenbein-Sklaven-Straße zwischen den Ebenen Zentralafrikas und Mombasas Sklavenmärkten ihr Leben. Als die Sklavenstraße nicht mehr genutzt wurde, begann man mit dem Bau einer Eisenbahn zwischen Mombasa und dem Viktoriasee, in dem einer der Quellflüsse des Nils entspringt, einem Projekt von entscheidender Bedeutung für die britische Kolonialherrschaft. Tsavos hungrige Löwen gewannen sogar internationale Beachtung, als sie nun Jagd auf Eisenbahnarbeiter machten und manchmal sogar auf Züge sprangen, um ihrer Beute habhaft zu werden. Ihr Appetit wurde Gegenstand von Legenden und Filmen, die in der Regel unterschlugen, dass dieser Hunger auf den Mangel an anderem Wild zurückzuführen war, das tausend Jahre lang abgeschlachtet worden war, um die endlosen Karawanen mit Sklavenfracht zu ernähren.
    Nach Sklaverei und Eisenbahnbau war Tsavo ein verlassenes, leeres Land. Ohne Menschen kehrten die wild lebenden Tiere allmählich zurück. Kurzzeitig kamen auch bewaffnete Menschen: Briten und Deutsche, die zuvor einen großen Teil Afrikas unter sich aufgeteilt hatten, trugen den Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 nicht nur in Europa aus. Ein Bataillon deutscher Kolonisten aus Tanganjika – dem heutigen Tansania – sprengte mehrfach die Eisenbahnlinie Mombasa-Viktoriasee. Beide Seiten bekämpften einander unter den Palmen und Fiebergummibäumen am Ufer des Tsavo River, ernährten sich von Affenfleisch und starben ebenso häufig an Malaria wie an feindlichen Kugeln, die darüber hinaus auch die üblichen verheerenden Folgen für den Wildbestand hatten.
    Wieder leerte sich Tsavo. Wieder füllte es sich, menschenleer geworden, mit Tieren. Der Schleimbeerenstrauch, beladen mit seinen Früchten, bedeckte die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs und bot Pavianfamilien Unterschlupf. 1948 hatte die Krone keine Verwendung mehr für Tsavo und erklärte die Region, eine der meistgenutzten Handelsstraßen der Menschheitsgeschichte, zum Naturschutzgebiet. Zwanzig Jahre später besaß sie eine Elefantenpopulation von 45000 Tieren, eine der größten Afrikas. Doch sollte das nicht von Dauer sein.
    Als die weiße einmotorige Cessna abhebt, erblicke ich unterhalb ihrer Flügel eines der widersprüchlichsten Bilder, die unsere Erde zu bieten hat. Die Ebene unter mir ist der Nairobi National Park, wo Elenantilopen, Thomson-Gazellen, Kaffernbüffel, Kuhantilopen, Vogelarten wie Strauße und Senegaltrappen, Giraffen und Löwen auf engem Raum vor einer Wand von Hochhäusern leben. Hinter dieser grauen, städtischen Fassade beginnt einer der größten und ärmsten Slums der Welt. Nairobi ist nicht älter als die Eisenbahnlinie, die ein Depot zwischen Mombasa und dem Viktoriasee brauchte. Als eine der jüngsten Großstädte der Erde wird sie wahrscheinlich auch als eine der ersten verschwinden, weil hier selbst neue Bauwerke rasch zu zerfallen beginnen. Am anderen Ende ist der Nairobi National Park nicht umzäunt. Die Cessna passiert seine unmarkierte Grenze und überquert eine graue, baumbestandene Ebene. Hier folgen die wandernden Gnus, Zebras und Nashörner des Naturparks den jahreszeitlichen Regenfällen entlang eines Korridors, der in letzter Zeit immer stärker eingeschnürt wird von Maisfeldern, Blumenfarmen, Eukalyptusplantagen und einer wachsenden Zahl von eingezäunten Privatgrundstücken mit Privatbrunnen und protzigen Villen. Gemeinsam könnten sie Kenias ältesten Nationalpark in eine weitere Schutzinsel für wild lebende Tiere verwandeln. Der Korridor ist nicht geschützt; da Immobilien außerhalb des hektischen Nairobi immer beliebter werden, wäre es nach Meinung meines Cessna-Piloten David Western am besten, wenn der

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