Die Welt ohne uns
können. Entweder werden ihre Populationen anwachsen und die Barriere beiseitefegen oder sie werden angesichts eines schrumpfenden Genpools schwinden, bis ein einzelnes Virus eine ganze Art auslöscht. Wenn die Menschen jedoch zuerst dran glauben müssen, wird der Zaun keine Elektroschocks mehr austeilen. Paviane und Elefanten werden sich am helllichten Tag auf den umliegenden Kikuyu-Feldern die Bäuche mit Getreide und Gemüse vollschlagen. Nur die Kaffeefelder haben eine Chance zu überleben; wild lebende Tiere haben keine besondere Vorliebe für Koffein und die Gattung Arabica, die vor langer Zeit aus Äthiopien eingeführt wurde, hat so viel Gefallen an Kenias Vulkanböden gefunden, dass sie zu einer einheimischen Pflanze geworden ist.
Der Wind wird die Polyäthylenbespannungen der Treibhäuser zerfetzen, nachdem ihre Polymere unter der äquatorialen UV-Strahlung hinreichend gelitten haben, eine Wirkung, die noch verstärkt wird durch das bevorzugte Begasungsmittel der Blumenindustrie – Methylbromid, den schlimmsten Ozonkiller überhaupt. Die chemieabhängigen Rosen und Nelken werden eingehen, während die Wasserhyazinthe alle anderen Blumen überleben dürfte. Durch den defekten Zaun drängt sich der Aberdare-Wald, überwuchert die Felder und nimmt ein altes Relikt der Kolonialzeit in Besitz, den Aberdare Country Club, dessen Rasen auf dem Golfplatz gegenwärtig von Warzenschweinen kurz gehalten wird. Nur eines wird den Wald daran hindern, die Wildwechsel zwischen dem Mont Kenya und der Samburo-Wüste wiederherzustellen: ein Erbe des Britischen Empire in Gestalt von Eukalyptusgehölzen.
Unter den unzähligen Arten, die vom Menschen auf fremde Lebensbereiche losgelassen wurden und sich dort unkontrolliert entfalteten, zählt Eukalyptus neben dem Chinesischen Götterbaum und Kudzu zu den schlimmsten Eindringlingen, die für das Land noch lange nach unserem Untergang eine Heimsuchung sein werden. Für die Befeuerung von Dampflokomotiven ersetzten die Briten häufig die langsam wachsenden tropischen Laubhölzer durch schnell wachsende Eukalyptusbäume aus ihren australischen Kronkolonien. Die angenehm duftenden Eukalyptusöle, die wir für Hustenmittel verwenden, aber auch als Desinfektionsmittel nutzen, weil sie in höheren Dosen giftig sind, dienen der Pflanze eigentlich dazu, Konkurrenten zu verdrängen. In der Nähe von Eukalyptusbäumen gibt es kaum Insekten, daher werden mangels Nahrung auch nur wenige Vögel in ihnen nisten.
Da der Eukalyptusbaum sehr durstig ist, finden wir ihn überall dort, wo Wasser ist, etwa an den Bewässerungsgräben der Felder, wo er hohe Hecken bildet. Ohne Menschen wird er brachliegende Felder in Besitz nehmen, weil er einen Vorsprung gegenüber den einheimischen Samen hat, die von den Bergen herabgeweht werden. Am Ende wird es des großen natürlichen Holzfällers Afrikas bedürfen, des Elefanten, um einen Pfad zurück zum Mount Kenya zu bahnen und die letzten britischen Gespenster endgültig aus dem Land zu vertreiben.
Afrika nach uns
In einem Afrika ohne Menschen könnten die Elefanten, wenn sie durch die Samburo über den Äquator und dann durch den Sahel vordringen, auf eine schrumpfende Saharawüste stoßen, da die Vorhut der Wüstenbildung, die Ziegen, zur Mahlzeit für Löwen mutiert ist. Sie könnten allerdings auch einer Sahara auf dem Vormarsch begegnen, weil die steigenden Temperaturen, Konsequenz der Kohlenwasserstoffe, welche die Menschheit in der Atmosphäre hinterlassen hat, das Vordringen der Wüsten beschleunigen. Dass die Sahara in jüngerer Zeit so rasch und beängstigend vordringt – manchenorts drei bis vier Kilometer pro Jahr – liegt an einem unglücklichen zeitlichen Zusammentreffen.
Noch vor sechstausend Jahren war diese Region, die heute die größte nichtpolare Wüste der Welt ist, eine grüne Savanne. Krokodile und Flusspferde aalten sich in wasserreichen Saharaflüssen. Dann kam es zu einer der periodischen Erdbahnschwankungen. Obwohl die schräge Erdachse sich noch nicht einmal um einen halben Grad aufrichtete, reichte dieser Vorgang aus, um die Bahn der Regenwolken zu verändern. Das allein genügte allerdings noch nicht, um Grasland in Sanddünen zu verwandeln. Doch das gleichzeitige Vordringen der Menschheit führte dazu, dass das trockene Buschland, das sich gebildet hatte, über eine Klimagrenze gedrängt wurde. In den beiden zurückliegenden Jahrtausenden hatte Nordafrikas Homo sapiens die Jagd mit dem Speer durch den Anbau
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