Die Welt ohne uns
wären nicht die Farmer gewesen, die sie schlugen, die Viehzüchter, die sie verbrannten, die Kleinbauern, die sie abholzten, um sie zu verfeuern, und die Bauunternehmer, die sie mit ihren Bulldozern niederwalzten. Ohne Menschen würden Amerikas Wälder riesige Nischen bilden, geeignet für Pflanzenfresser, die groß genug sind, um dem Holz Nährstoffe abzugewinnen.
Schleichender Untergang
Oft hatte Partois ole Santian die Geschichte gehört, als er noch ein Junge war und mit den Kühen seines Vaters im Westen von Amboseli umherzog. Respektvoll lauscht er, als Kasi Koonyi sie nun erneut erzählt – der grauhaarige alte Mann, der mit seinen drei Frauen eine boma in Massai Mara bewohnt, wo Santian heute arbeitet.
»Am Anfang war nur ein Wald und Ngai gab uns Buschleute, die für uns jagten. Doch dann zogen die Tiere zu weit fort, um sie noch länger zu jagen. Die Massai beteten zu Ngai, er möge uns Tiere geben, die nicht fortgingen, und er sagte, wartet sieben Tage.«
Koonyi nimmt einen Lederriemen und hält ein Ende himmelwärts, um den Weg darzustellen, der zur Erde hinabführt. »Das Rind kam vom Himmel herab und alle sagten: > Schaut nur! Unser Gott ist so freundlich, er schickt uns ein schönes Tier. Es hat Milch, schöne Hörner und verschiedene Farben. Nicht wie Gnus oder Büffel, die nur eine Farbe haben.<«
Der Sage nach behaupteten die Massai jedoch, alle Rinder seien für sie bestimmt, und warfen die Buschleute aus ihren bomas. Als die Buschleute Ngai um eigene Rinder baten, verweigerte er sie ihnen und gab ihnen stattdessen Pfeil und Bogen. »Deshalb jagen sie noch immer in den Wäldern, statt Vieh zu hüten wie wir Massai.«
Kobnyi lächelt, die Nachmittagssonne lässt seine großen Augen rot aufleuchten und spiegelt sich in den hin- und herschwingenden kegelförmigen Bronzeohrringen, die seine Ohrläppchen kinnwärts ziehen. Die Massai, so erläutert er, fanden heraus, wie man Bäume verbrennt, um Savannen für ihre Herden zu schaffen und mit dem Rauch gleichzeitig die Malariamücken zu vertreiben. Santian weiß, wovon der Alte spricht: Als wir Menschen noch reine Jäger und Sammler waren, unterschieden wir uns nicht wesentlich von anderen Tieren. Doch als wir von Gott erwählt wurden, Hirten zu werden und über die besten Tiere zu herrschen, lag Segen auf unserem Tun. Der Haken ist, wie Santian nur allzu gut weiß, dass es die Massai damit nicht gut sein ließen.
Selbst nachdem die weißen Kolonisten ihnen so viel Land genommen hatten, konnten die Massai ihr Nomadenleben noch fortsetzen. Doch jeder Massai-Mann nahm mindestens drei Ehefrauen und jede Frau gebar ihm fünf oder sechs Kinder. Um diese zu ernähren, brauchte jede Frau rund hundert Kühe. Die Rechnung konnte nicht aufgehen. In seiner Jugend erlebte Santian, wie die Massai Felder mit Weizen oder Mais anlegten und bei ihren bomas blieben, um sie zu bestellen. Und sobald sie Ackerbau betrieben, änderte sich alles.
Partois ole Santian, der einer modernen Massai-Generation angehört, bekam die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und zu studieren, er erhielt hervorragende Noten in den Naturwissenschaften, lernte Englisch und Französisch und wurde Zoologe. Mit 26 Jahren verlieh man ihm als einem von ganz wenigen Afrikanern die silberne Urkunde der Kenya Professional Safari Guide Association, die höchste Stufe dieser Auszeichnung. Er fand eine Anstellung in einem Hotel für Ökotourismus in der Massai Mara, dem kenianischen Ausläufer der tansanischen Serengeti, einem Nationalpark, der teils reine Tierschutzgebiete und teils gemischte Schutzzonen umfasst, in denen Massai, ihre Rinderherden und wild lebende Tiere koexistieren, wie sie es schon immer taten. Die Massai Mara mit ihrem roten Hafergras, das hier und da von vereinzelten Dattelpalmen und flachkronigen Akazien unterbrochen wird, ist noch immer ein prächtiges Grasland, das es mit jeder afrikanischen Savanne aufnehmen kann. Nur dass es jetzt größtenteils Rinder sind, die hier grasen.
Häufig zieht sich Santian Lederschuhe an und erklimmt den Kileleoni Hill, den höchsten Punkt der Mara. Hier ist die Wildnis immer noch so unberührt, dass man auf Kadaver von Schwarzfersenantilopen stößt, die sich Leoparden als Vorrat auf schützende Bäume gezerrt haben. Von der Hügelspitze aus kann Santian, hundert Kilometer südwärts, in der Ferne Tansania und das unermessliche grüne Grasmeer der Serengeti ausmachen. Dort ertönen im Juni die Rufe der Gnus, wenn sie sich zu riesigen
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