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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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vierstöckige Hotel, das in »Palm Beach« umgetauft werden sollte, stand so weit von der Bucht zurückgesetzt, dass seine Terrasse und der hoteleigene Strand auch nachmittags noch in der Sonne lagen. Der Hotelturm nebenan, auf dessen Dach sich kurzzeitig eine griechische MG-Stellung befunden hatte, war unter einem türkischen Bombenangriff zusammengestürzt, doch von dieser Ruine abgesehen, schien alles andere noch intakt zu sein, als Allan Cavinder das Sperrgebiet zum ersten Mal betrat.
    Es war geradezu unheimlich: Vor allem beeindruckten ihn die Spuren eines überstürzten Aufbruchs. Das Fremdenbuch war aufgeschlagen und zeigte nach wie vor den Tag im August 1974 an, als der Geschäftsbetrieb plötzlich zum Stillstand gekommen war. Die Zimmerschlüssel lagen noch dort auf dem Empfangstresen, wo die Gäste sie hingeworfen hatten. Die Fenster zur See waren offen geblieben und der hereingewehte Sand hatte sich in der Hotelhalle zu kleinen Dünen gehäuft. In den Vasen waren die Blumen vertrocknet. Mokkatassen und Frühstücksgeschirr, von Mäusen blitzblank geleckt, standen auf weißen Tischtüchern.
    Cavinder hatte den Auftrag, die Klimaanlage zu reparieren. Doch diese Routinearbeit erwies sich als schwierig. Der südliche, griechische Teil der Insel war von den Vereinten Nationen als Republik Zypern legitimiert, während ein unabhängiger türkischer Staat im Norden nur von der Türkei anerkannt wurde. Da keine Ersatzteile zu beschaffen waren, vereinbarte Cavinder mit den türkischen Soldaten, die Varoscha bewachten, dass er die anderen Hotels unter der Hand ausschlachten dürfe, um sich das Nötige zu besorgen.
    Er schlenderte durch den verlassenen Ort. Rund 20000 Menschen hatten in Varoscha gelebt oder gearbeitet. Asphalt und Straßenpflaster waren aufgebrochen; Cavinder war nicht überrascht, dass Unkraut in den menschenleeren Straßen wuchs, hatte aber nicht mit dem Anblick von Bäumen gerechnet. Rasch wachsende Akazien aus Australien, die von den Hotels zur Landschaftsgestaltung gepflanzt worden waren, wuchsen mitten auf den Straßen, einige schon fast einen Meter hoch. Die Ranken dickblättriger Ziergewächse krochen aus Hotelgärten, überquerten Fahrbahnen und kletterten an Baumstämmen empor. In den Läden lagen noch immer Souvenirs und Sonnencremes; im Schaufenster eines Autohändlers standen die Modelle von 1974 zwischen den Scherben der Schaufensterscheiben, die unter dem Luftdruck türkischer Bomben zerplatzt waren. Halb bekleideten Schaufensterpuppen hingen die Textilien in Fetzen von den Plastikleibern, während die Kleiderständer hinter ihnen noch dicht behängt, aber mit einer dicken Staubschicht bedeckt waren. Auch die Stoffbezüge von Kinderwägen waren zerfetzt – Cavinder hätte nicht gedacht, dass so viele übrig geblieben wären. Und so viele Fahrräder.
    Die durchlöcherten Fassaden leerer Hotels, zehn Stockwerke zersprungener Glasschiebetüren, die auf Balkone mit Seesicht führten, Balkone, die jetzt den Elementen preisgegeben waren, hatten sich in riesige Taubenschläge verwandelt. Alles war mit Taubenkot bedeckt. Wanderratten nisteten in den Hotelzimmern, lebten von Jaffa-Orangen und Limonen aus ehemaligen Zitrushainen. Die Glockentürme griechischer Kirchen waren mit dem Kot von Fledermäusen gesprenkelt.
    Sandfahnen wehten über die Straßen und bedeckten die Böden. Was Cavinder zunächst überraschte, war das Fehlen von Gerüchen, abgesehen von einem mysteriösen Gestank, der aus den Hotelpools aufstieg, von denen die meisten zwar ausgetrocknet waren, aber unerklärlicherweise einen Geruch verströmten, als wären sie mit Kadavern gefüllt. Um sie herum zeugten umgeworfene Tische, Stühle, zerrissene Sonnenschirme und zerbrochene Gläser von höchst gewaltsamen Ereignissen. Hier wieder Ordnung zu schaffen würde sehr kostspielig sein.
    Sechs Monate lang, während er Klimaanlagen, Waschmaschinen, Trockner und ganze Küchen voller Backöfen, Grills, Kühlschränke und Tiefkühltruhen ausschlachtete oder reparierte, lastete eine unerträgliche Stille auf ihm, die ihm buchstäblich in den Ohren wehtat. Ein Jahr vor dem Inselkrieg hatte er auf einem britischen Marinestützpunkt südlich der Stadt gearbeitet und seine Frau häufig in einem Hotel untergebracht, wo sie den Tag am Strand verbrachte. Wenn er sie nach der Arbeit abholte, spielte eine Kapelle für die deutschen und britischen Touristen. Jetzt waren die Kapellen verstummt, nur noch das unablässige Rauschen des Meeres war zu

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