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Die Welt ohne uns

Die Welt ohne uns

Titel: Die Welt ohne uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Weisman
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überwuchert, gewährt Hasen und Rebhühnern Unterschlupf.
    Als 1974 der Krieg ausbrach, waren große Teile Varoschas kaum zwei Jahre alt. Entlang eines halbmondförmigen Sandstrands im Süden des Tiefwasserhafens Famagusta, einer befestigten Stadt, die etwa um 250 v. Chr. gegründet wurde, war Varoscha von griechischen Zyprioten als Zyperns Riviera angelegt worden. 1972 reihte sich am belebten Strand der Stadt fünf Kilometer weit ein Hotelhochhaus an das andere, ergänzt durch Abschnitte mit Läden, Restaurants, Kinos, Ferienbungalows und Unterkünften fürs Personal. Den Standort hatte man wegen des ruhigen, warmen Wassers an der windgeschützten Ostküste der Insel gewählt. Der einzige – oft beim Bau von hohen Strandhotels wiederholte – Fehler war die Entscheidung, möglichst nahe am Strand zu bauen. Zu spät erkannte man, dass der Strand im Schatten der Hotelphalanx lag, sobald die Sonne ihren mittäglichen Höchststand überschritten hatte.
    Doch es blieb nicht viel Zeit zur Reue. Im Sommer 1974 flammte der Krieg auf und als er einen Monat später zu Ende war, sahen sich die griechischen Zyprioten Varoschas mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Investitionen nun auf der türkischen Seite der Grünen Linie lagen. Und nicht nur das: Sie und alle anderen Bewohner Varoschas mussten nach Süden auf die griechische Seite der Insel fliehen.
     
    Das gebirgige Zypern liegt in einer friedlichen, aquamarinblauen See, umgeben von mehreren Ländern, deren Völker einander oftmals mit großem Hass begegnen. Ethnische Griechen gelangten vor etwa viertausend Jahren nach Zypern und lebten in der Folgezeit unter der Herrschaft einer langen Abfolge von Eroberern: Assyrern, Phöniziern, Persern, Römern, Arabern, Byzantinern und Venezianern. Das Jahr 1570 brachte einen weiteren Eroberer, das Osmanische Reich. Mit ihm kamen türkische Siedler, die im 20. Jahrhundert knapp ein Fünftel der Inselbevölkerung ausmachten.
    Nachdem der Erste Weltkrieg dem Osmanischen Reich ein Ende gemacht hatte, wurde Zypern eine britische Kolonie. Die Griechen der Insel, orthodoxe Christen, die sich in regelmäßigen Abständen gegen die osmanischen Türken aufgelehnt hatten, waren über die neuen Herrscher erfreut und verlangten den Anschluss an Griechenland. Die muslimischtürkische Minderheit Zyperns protestierte. Die Spannungen, die sich jahrzehntelang aufgebaut hatten, führten während der fünfziger Jahre mehrfach zu erbitterten Auseinandersetzungen. In einem Kompromiss wurde 1960 eine unabhängige Republik Zypern mit zwei selbstverwalteten Volksgruppen geschaffen.
    Doch der ethnische Hass war inzwischen zur Gewohnheit geworden; Griechen brachten ganze türkische Familien um, und Türken rächten sich grausam. Der Putsch der Obristen in Griechenland 1967 löste einen Staatsstreich auf der Insel aus, was die Türkei im Juli 1974 veranlasste, Truppen zum Schutz der türkischen Zyprioten zu entsenden.
     
    Allan Cavinder, ein britischer Elektroingenieur, war zwei Jahre zuvor, 1972, auf die Insel gekommen. Im Auftrag einer Londoner Firma hatte er an vielen Orten im Nahen Osten gearbeitet und als er Zypern sah, hatte er sich zum Bleiben entschlossen. Von den trockenheißen Monaten Juli und August abgesehen, ist das Wetter auf der Insel überwiegend mild und schön. Er ließ sich an der Nordküste nieder, unterhalb des Gebirges, wo die Bewohner der gelben Kalksteindörfer vom Ertrag ihrer Oliven- und Johannisbrotbäume lebten, deren Früchte sie von der Hafenbucht Kyrenias aus exportierten, wo er lebte.
    Als der Krieg ausbrach, beschloss Cavinder, ihn auszusitzen, weil er zu Recht annahm, man werde seine Fachkenntnisse irgendwann wieder brauchen. Mit einem solchen Auftrag jedoch hatte er nicht gerechnet. Nachdem die Griechen Varoscha aufgegeben hatten, gelangten die türkischen Zyprioten zu der Auffassung, das noble Seebad sei als Unterpfand bei künftigen Verhandlungen über eine endgültige Lösung zu wertvoll, als dass man es jetzt Hausbesetzern überlassen könnte. Daher umgaben sie es mit einem soliden Maschendrahtzaun, verbarrikadierten die Strände mit Stacheldraht, ließen es von türkischen Soldaten bewachen und stellten Warnschilder auf.
    Nach zwei Jahren jedoch beantragte eine alte osmanische Stiftung in der Türkei, zu deren Immobilienbesitz auch das nördlichste Hotel von Veroscha gehörte, die Genehmigung zur Renovierung und Wiedereröffnung dieses Gebäudes. Nach Cavinders Einschätzung war das eine vernünftige Idee. Das

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