Die Welt ohne uns
Zonen zurück oder es taumelt in eine tropische, überhitzte Zukunft – vielleicht auch, als dritte Möglichkeit, in ein Abbild jener Moore im Südwesten Englands, wo einst Conan Doyles Hund von Baskerville im kalten Nebel heulte.
Dartmoor, der höchste Punkt Südenglands, ähnelt einer fast 2500 Quadratkilometer großen kahlen Platte, aus der hier und da ein paar gewaltige Klötze zerborstenen Granits hervorragen, gesäumt von Bauernhöfen und kleinen Wäldchen, die aus alten Grenzhecken aufgeschossen sind. Die Region entstand Ende des Karbons, als der größte Teil Großbritanniens überflutet war und Schalentiere den Meeresgrund bedeckten, der später zur begrabenen Kalkschicht der heimischen Böden wurde. Darunter lag der Granit, der sich 300 Millionen Jahre zuvor unter dem Druck von Magma zu einer kuppeiförmigen Insel aufgefaltet hatte – die Dartmoor wieder werden könnte, wenn der Meeresspiegel, wie einige Forscher fürchten, ein weiteres Mal so ansteigt.
Mehrere Eiszeiten ließen genügend Wasser des Planeten zu Eis erstarren, um den Meeresspiegel zu senken und der Erde die Möglichkeit zu geben, ihre heutige Gestalt anzunehmen. Die letzte dieser Eiszeiten schob einen anderthalb Kilometer hohen Gletscher bis zum Nullmeridian. Wo er zum Stillstand kam, beginnt Dartmoor. Auf dessen granitenen Hügelkuppen, sogenannten tors, Felstürmen, befinden sich Überreste aus jener Zeit, die Vorboten dessen sein könnten, was die Britischen Inseln erwartet, sollte sich eine dritte klimatische Alternative als ihr Schicksal erweisen.
Dieses Schicksal könnte die Inseln ereilen, wenn das Schmelzwasser der grönländischen Eiskappe den Golfstrom zum Stillstand bringt oder sogar umkehrt – jene warme Meeresströmung, die Großbritannien gegenwärtig mit einem weit milderen Klima versorgt, als es etwa an der Hudson Bay herrscht, die auf dem gleichen Breitengrad liegt. Da dieses viel diskutierte Ereignis eine unmittelbare Folge global steigender Temperaturen wäre, würde sich wahrscheinlich kein Eisschild bilden – wohl aber könnten Dauerfrost und Tundra das Ergebnis sein.
Das geschah vor 12700 Jahren in Dartmoor, als das globale Zirkulationssystem vorerst zum letzten Mal fast zum Stillstand kam: kein Eis, sondern steinhart gefrorener Boden. Was folgte, ist nicht nur lehrreich, da es zeigt, wie das Vereinigte Königreich in der Zukunft aussehen könnte, sondern auch ermutigend, weil erwiesenermaßen selbst solche Verhältnisse nicht von Dauer sind.
Der Permafrost hielt 1300 Jahre an. Während dieser Zeit gefror das Wasser, das in Spalten und Risse der Granitkuppel über Dartmoor eingedrungen war, und sprengte riesige Felsbrocken unter der Oberfläche ab. Dann ging das Pleistozän zu Ende. Der Permafrostboden taute auf. Durch Bodenerosion wurden die Granittrümmer bloß gelegt, die heutigen tors von Dartmoor, und das Moor erblühte. Über die Landbrücke, die England noch weitere 2000 Jahre mit dem übrigen Europa verband, gelangten Kiefern, dann Birken und schließlich Eichen ins Land. Mit ihnen kamen Hirsche, Bären, Biber, Dachse, Pferde, Kaninchen, Eichhörnchen und Auerochsen. Auch ausgewiesene Raubtiere befanden sich darunter: Füchse und Wölfe – und nicht zuletzt die Vorfahren vieler heutiger Briten.
Wie schon lange zuvor in Amerika und Australien lichteten sie die Wälder durch Brandrodung, um sich die Jagd zu erleichtern. Von den höchsten Felsentürmen abgesehen, ist das öde Dartmoor, das sich bei einheimischen Umweltverbänden so großer Wertschätzung erfreut, ein weiteres Produkt menschlichen Wirkens: ein ehemaliger Wald, der wiederholt niedergebrannt und dann von mehr als 250 Zentimetern jährlichen Niederschlägen in einen Torfteppich verwandelt wurde, in dem keine Bäume mehr wachsen. Nur Holzkohlereste im Torf bezeugen, dass das einst der Fall war.
Diese Gegend wurde noch stärker von Menschenhand geprägt, als die Einheimischen Granitbrocken zu Kreisen anordneten, die ihren Hütten als Fundamente dienten. Sie verlängerten sie zu langen, mörtellosen Trockenmauern, welche die Landschaft kreuz und quer durchzogen und noch heute unverändert erhalten sind.
Die Natursteinmauern unterteilten das Land in Weiden für Kühe, Schafe und Dartmoors berühmte robuste Ponys. Jüngere Versuche, durch Entfernung des Nutzviehs Schottlands pittoreske Heidelandschaft nachzuahmen, erwiesen sich als erfolglos, denn statt violettem Heidekraut wuchsen nur Farn und dorniger Ginster. Doch Ginster passt viel
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