Die Welt ohne uns
besser in diese ehemalige Tundra, deren gefrorene Oberfläche zu jenem schwammigen Torfboden auftaute, der allen Wanderern in diesen Mooren wohlvertraut ist. Zur Tundra wird diese Landschaft wohl auch wieder werden, egal ob dann noch Menschen vorhanden sind oder nicht.
In anderen Weltgegenden, auf ehemaligen Ackerflächen, welche die Menschen jahrtausendelang bestellten, wird die globale Erwärmung ähnliche Landschaften wie im heutigen Amazonasbecken hervorbringen. Mögen die Bäume auch ihr Blätterdach darüberdecken, die Böden werden dennoch die Erinnerung an uns bewahren. Im Amazonasgebiet selbst lässt die Holzkohle, mit der die häufigen Ablagerungen von fruchtbarer Schwarzerde, terra preta, durchsetzt sind, darauf schließen, dass vor Jahrtausenden Steinzeitmenschen große Teile des Landes bestellt haben, das wir heute für urzeitlichen Dschungel halten. Durch langsames Verkohlen anstelle schnellen Verbrennens der Bäume sorgten sie dafür, dass ein Großteil des wertvollen Kohlenstoffs nicht in die Atmosphäre freigesetzt wurde, sondern zusammen mit anderen Bodennährstoffen wie Stickstoff, Phosphor, Calcium und Schwefel erhalten blieb – alle in leicht verdauliches organisches Material verpackt.
Diesen Prozess hat Johannes Lehmann beschrieben, der bisher Letzte einer ganzen Reihe von Bodenkundlern der Cornell University, die sich mit der terra preta fast so lange beschäftigt haben, wie die Erben des Rothamsted-Gründers John Lawes mit Kunstdüngern experimentierten. Der mit Holzkohle angereicherte Boden wird trotz ununterbrochener Nutzung nie ausgelaugt. Betrachten wir das fruchtbare Amazonasbecken selbst: Lehmann und andere glauben, umfangreiche präkolumbianische Bevölkerungen hätten sich von ihm ernährt, bis die aus Europa eingeschleppten Krankheiten sie zu weit verstreuten Stämmen dezimierten, die heute von den Nussbaumhainen ihrer Vorfahren leben. Der geschlossene Amazonasdschungel, den wir heute sehen, das größte Waldgebiet der Erde, nahm die fruchtbare terra preta so rasch wieder in Besitz, dass den europäischen Kolonisten gar nicht klar wurde, dass er jemals zurückgedrängt worden war.
»Die Herstellung und Verwendung von Biokohle«, schreibt Lehmann, »würde den Boden nicht nur erheblich verbessern und die Ernteerträge erhöhen, sondern auch einen neuen Ansatz zur signifikanten und langfristigen Senkung des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre darstellen. «
In den sechziger Jahren stellte der britische Atmosphärenforscher, Chemiker und Meeresbiologe James Lovelock seine Gaia-Hypothese vor, derzufolge sich die Erde wie ein Superorganismus verhält, das heißt, ihre Böden, ihre Atmosphäre und ihre Meere bilden ein Zirkulationssystem, das durch Flora und Fauna reguliert wird. Heute, so Lovelock, leide der Planet unter hohem Fieber, verursacht vom »Virus Mensch«. Er schlägt vor, wir sollten das wichtigste Menschheitswissen schriftlich niederlegen (auf möglichst haltbarem Papier, wie er hinzufügt), für die Überlebenden, die sich während der nächsten tausend Jahre in den Polarregionen verkriechen werden, den letzten bewohnbaren Flecken in einer völlig überheizten Welt, bis das Meer so viel Kohlenstoff recycelt habe, dass sich annähernd ein Gleichgewicht wiederhergestellt habe.
In diesem Falle wären die klugen Erkenntnisse jener namenlosen Amazonasbauern dick unterstrichen festzuhalten, damit wir die Landwirtschaft das nächste Mal etwas anders angehen. (Vielleicht gibt es eine Chance: Norwegen archiviert jetzt auf einer Insel in der Arktis Samenproben der weltweit vorhandenen Varietäten von Erntepflanzen, in der Hoffnung, dass sie dort die schrecklichen Katastrophen andernorts überleben könnten.)
Falls das nicht der Fall sein und falls keine Menschen zurückkehren sollten, um die Äcker zu bestellen und das Vieh zu hegen und zu pflegen, bemächtigt sich der Wald des Landes. Weideland, das ausreichend Regen bekommt, bewirtet neue Gäste – oder alte, wenn einige neue Spielarten der Elefanten- und Faultierfamile die Erde bevölkern. Andere Gegenden jedoch, weniger vom Glück begünstigt, verwandeln sich in eine neue Sahara. Der amerikanische Südwesten zum Beispiel war bis 1880 mit hüfthohem Gras bedeckt, als sich sein Rinderbestand von einer halben Million Tiere plötzlich versechsfachte, doch jetzt sehen sich New Mexico und Arizona von einer nie dagewesenen Trockenheit bedroht, da das Land einen Großteil seiner Wasserhaltekapazität verloren hat. Diese Gebiete
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