Die Welt ohne uns
einen defekten Kessel verursachten) Explosion in Havanna gesunken war, zum Vorwand, um die Spanier aus der Karibik zu vertreiben. Der Spanisch-Amerikanische Krieg sollte angeblich Kuba und Puerto Rico befreien, doch zur großen Überraschung der Puertoricaner wurde ihre Insel von den Vereinigten Staaten annektiert. Nach Roosevelts Einschätzung war sie wegen ihrer Lage ideal als Bunkerstation für den noch nicht existierenden Kanal geeignet, der den zwischen Atlantik und Pazifik verkehrenden Schiffen den Weg um Kap Hoorn ersparen sollte.
Roosevelt entschied sich für Panama statt Nicaragua, dessen gleichnamiger schiffbarer See zwar erhebliche Erdbewegungen erspart hätte, aber zwischen aktiven Vulkanen lag. Damals gehörte die Landenge noch zu Kolumbien, obwohl die Panamaer dreimal versucht hatten, die unberechenbare Herrschaft des fernen Bogota abzuschütteln. Als Kolumbien das amerikanische 10-Millionen-Dollar-Angebot für die Abtretung einer fünf Kilometer breiten Zone zu beiden Seiten des geplanten Kanals ausschlug, schickte Roosevelt, inzwischen Präsident der Vereinigten Staaten, ein Kanonenboot und verhalf den panamaischen Rebellen auf diese Weise endlich zum Sieg. Einen Tag später verriet er sie, indem er die Akkreditierung eines ehemaligen französischen Ingenieurs der bankrotten französischen Kanalgesellschaft als Panamas ersten Botschafter in den Vereinigten Staaten betrieb, der daraufhin augenblicklich einen Vertrag zu amerikanischen Bedingungen unterzeichnete, was ihm auch persönlich einen hübschen Batzen Geld einbrachte.
Das festigte in Lateinamerika den Ruf der Vereinigten Staaten als räuberische Gringo-Imperialisten und brachte – elf Jahre und 5000 weitere Todesfälle später – die bis dahin erstaunlichste technische Großtat in der Geschichte der Menschheitsgeschichte zustande. Inzwischen sind mehr als hundert Jahre vergangen und der Kanal zählt immer noch zu den größten Menschheitsleistungen aller Zeiten. Abgesehen davon, dass der Panamakanal den Weg zwischen den beiden Ozeanen immens verkürzte, verlagerte er den wirtschaftlichen Schwerpunkt der Welt auch erheblich zugunsten der Vereinigten Staaten.
Etwas so Bedeutsames und buchstäblich Welt- oder zumindest Erdbewegendes scheint für die Ewigkeit bestimmt. Doch wie lange würde die Natur brauchen, um wieder zusammenzufügen, was der Mensch in Panama geschieden hat?
»Der Panamakanal«, sagt Abdiel Perez, »ist wie eine Wunde, welche die Menschen der Erde zugefügt haben, und nun versucht die Natur sie zu heilen.«
Als Aufseher der Kanalschleusen auf der Atlantikseite ist Perez – und mit ihm fünf Prozent des Welthandels – von einer Handvoll Hydrologen und Ingenieure abhängig, die damit beschäftigt sind, die Wunde offenzuhalten. Der Elektro- und Maschinenbauingenieur mit dem kantigen Kinn und der leisen Stimme begann hier neben seinem Studium an der Universität Panama als Hilfsmaschinist zu arbeiten. Er weiß, dass ihm eine technische Meisterleistung anvertraut ist, die zu ihrer Zeit wahrhaft revolutionär war.
»Portlandzement war eine Neuheit. Hier wurde er zum ersten Mal ausprobiert. Stahlbeton war noch nicht erfunden. Alle Schleusenwände waren überdimensioniert wie Pyramiden. Ihre Stabilität verdanken sie allein der Gravitation.«
Er steht neben einer Schleusenkammer, die wie ein riesiger Betonkasten aussieht, als ein orangefarbener chinesischer Frachter eingewiesen wird, der, sieben Stockwerke hoch mit Containern beladen, auf dem Weg an die Ostküste der Vereinigten Staaten ist. In der 33 Meter breiten Schleuse hat das Schiff, das so lang wie drei Fußballfelder ist, an jeder Seite genau sechzig Zentimeter Spiel, während es von zwei elektrischen Lokomotiven, mules genannt, in die Kammer hineingezogen wird.
»Auch die Elektrizität war neu. New York hatte gerade sein erstes Kraftwerk in Betrieb genommen. Trotzdem entschieden sich die Kanalbauer für Elektrizität anstelle von Dampf.«
Sobald das Schiff sich im Inneren befindet, wird so viel Wasser in die Kammer gepumpt, dass sich der Frachter achteinhalb Meter hebt, was zehn Minuten dauert. Am anderen Ende wartet der Gatunsee, der fünfzig Jahre lang der größte künstliche See der Welt war. Als man ihn aufstaute, setzte man zwar einen ganzen Mahagoniwald unter Wasser, vermied aber eine Wiederholung des französischen Debakels, das aus der verhängnisvollen Entscheidung resultierte, wie in Suez einen Kanal auf Meereshöhe anzulegen. Abgesehen davon, dass
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