Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
plötzlich wie ein wütender kleiner Junge.
»Verstanden?« In Elliots samtener Stimme schwang etwas Stahlhartes mit.
Fasziniert sah Tom zu, wie Karls Wangen sich scharlachrot färbten. Dann machte Karl eine nickende Kopfbewegung.
»Heißt das Ja?«, fragte Elliot.
»Ja«, erwiderte Karl mit zusammengebissenen Zähnen.
»Danke, Karl. Geh jetzt.«
Vor Ehrfurcht erstarrt sah Tom zu, wie Karl sich davonschlich wie ein geprügelter Hund. Es war Tom nie in den Sinn gekommen, dass Karl auf irgendjemanden hören würde, dass er jemanden so respektieren würde, dass er dessen Anweisungen folgen würde.
Tom schaute Elliot an. Endlich begriff er, was dieser ihm zuvor hatte sagen wollen. Manche Leute brauchten nicht zu kämpfen, um ihren Kurs zu halten, um ihren Willen durchzusetzen. Es gab noch andere Spiele zu spielen, andere Wettbewerbe zu gewinnen.
»Alles in Ordnung, Tom?«, fragte Elliot.
»Äh, ja. Danke.«
Er hörte, dass die Aufzugstür hinter ihm aufglitt. Bevor Elliot wieder auf seiner Stube verschwinden konnte, rief Tom ihm zu: »Warte.«
Elliot drehte sich zu ihm um.
Weil er sich dumm vorkam, blickte Tom zur Fensterfront »Elliot, vielleicht bist du deshalb nicht bösartig, weil du nicht verkorkst genug bist.« Er warf Elliot einen raschen Blick zu und sah dabei dessen gelassenes, nachdenkliches Gesicht. »Vielleicht hast du dich zu sehr …« – er versuchte auf ein Wort zu kommen, das zu Elliot Ramirez passte – »zu sehr selbstverwirklicht und kannstdich deshalb nicht wie ein Barbar aufführen.«
Elliot lächelte. »Meinst du?«
»Ja. Wie auch immer, das war es.« Tom winkte und stolperte in die Fahrstuhlkabine. Er hoffte, dass Elliot begriffen hatte, dass dies seine, Toms, Entschuldigung dafür war, Elliot nie eine Chance gegeben zu haben.
VIERUNDZWANZIG
P ärchenbildung war offiziell nicht untersagt. Schließlich waren sie keine aktiven Soldaten, und Marsh war Realist genug, um zu wissen, was geschah, wenn eine große Gruppe von Teenagern unter einem Dach lebte. Sie wurden aber auch nicht gerade dazu ermutigt. So gab es keine Tanzveranstaltungen wie auf einer Highschool. Wer sich verabreden wollte, musste bis zum Wochenende warten und Washington besuchen oder sich mit dem romantischen Glimmer des Imbissbereichs in der Pentagon City Mall zufriedengeben.
Doch hin und wieder im Sommer, wenn sich das Dach des Planetariums öffnete und der nächtliche Himmel zum Vorschein kam, wurden im Turm offene Abende veranstaltet. Offiziell sollten diese jenen älteren Rekruten, die Astrophysik studierten, hilfreich sein. Vor allem aber bot sich von dort ein schöner Anblick, und Pärchen beziehungsweise potenzielle Pärchen zog es dorthin, wann immer es möglich war. Am heutigen Abend gingen Yuri und Wyatt hin, und Vik hatte vor, sich dort einen Platz neben einer Machiavelli namens Jenny Nguyen zu schnappen. Sie habe ihm in Angewandte Simulationen »schöne Augen gemacht«, behauptete er, und er wolle die Gelegenheit beim Schopf packen. Er habe sogar den perfekten Spruch auf Lager.
»Was denn für einen Spruch?«, wollte Tom wissen.
»Sage ich nicht. Sonst vermassele ich es.«
»So schlimm, hm?«
»Ist alles in der Mache, Tom!«
Sein Stubenkamerad verbrachte eine halbe Stunde damit, sich Fusseln von der Hose zu bürsten und Hemden zu wechseln, während Tom sich über ihn lustig machte.
»Hast du dein Y-Chromosom irgendwo verlegt?«
»Klappe, Tom. Das hier ist etwas anderes.«
»Aber klar doch, Kumpel. Geh bei Jenny heute nicht weiter als bis zum Zungenkuss, sonst respektiert sie dich am Morgen danach nicht mehr.«
Vik holte mit der Faust aus und schlug auf seinen Arm ein, grinste aber dabei und hatte wieder seinen irren Gesichtsausdruck aufgesetzt. »Ich sehe gut aus.«
Tom legte sich die Hand auf das Herz, um seine Ehrlichkeit zu bezeugen. »Du siehst irre aus.«
»Irre gut«, sagte Vik. »Sie wird über mich herfallen.«
»Red dir das nur ein, Vik.«
»Stirb langsam, Tom.«
Tom wartete, bis Vik gegangen war, um sich eine Abfuhr einzuhandeln, und fing dann damit an, Videogames zu spielen. Doch irgendetwas war nicht so, wie es hätte sein sollen – und als er in ein Spiel einstieg, das man zu zweit spielen konnte, erkannte er auch, was es war: Es gefiel ihm besser, wenn er gegen Medusa antrat.
Die quälende Leere seiner Stube und die Stille in den Räumen der Alexander Division bedrückten Tom. Also stellte er sich Medusa als ein Mädchen vor, das um die Ecke lebte. Sie wäre dann jemand,
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