Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
keine Kleidung. Nicht, wenn Tom Raines bei dir ist.«
Erneut ertönte ein spitzer, mädchenhafter Schrei.
Es war Ching Shih, die chinesische Piratin, die Medusa in Pirate Wars verkörperte. Sie war über den gleichen Baumstamm gestolpert und hatte ebenfalls ihre Uniform verloren. Aber sie war nicht wirklich Ching Shih, sondern eine jüngere, viel hübschere Version von dieser. Es war Medusa, so wie Tom sie sich vorstellte.
»O nein, Tom«, sagte Medusa. »Mir ist jetzt auch kalt!«
Tom kicherte. »Glück für dich, dass ich zwei Arme habe.« Er streckte einen Arm nach ihr aus, und Medusa gesellte sich freudig zu ihnen.
Heather zog eine Schnute. »Tom, ich will dich nicht teilen.«
»Vielleicht will ich Tom ja nicht mit dir teilen, Heather.« Medusa drängte sich an Toms mächtige Brust.
Tom lächelte die beiden Mädchen in seinen Armen an. »Streitet euch nicht um mich, Ladys. Der große, starke Tom kann euch beide lieben.«
Sie erröteten, murmelten etwas davon, wie gut er doch aussah und wie charmant er war, und dann taxierten sie einander.
»Ihre Fantasien gehen ja alle in die gleiche Richtung«, klagte Blackburn. Er saß neben dem Memografen und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand. Auf dem Bildschirm über ihnen waren Toms Gedankenbilder zu sehen. »Langweilt Sie das denn nicht irgendwann?«
»Dann sehen Sie einfach nicht hin!«, schrie Tom ihn an.
»Beruhigen Sie sich. Sie werden hysterisch … großer, starker Tom.«
Tom schloss die Augen. Am liebsten wäre er auf der Stelle tot umgefallen. Aber vorher wollte er erleben, wie Blackburn tot umfiel. Nein, lieber wie er ausgeweidet werden würde.
Er saß unter dem Memografen, die Arme festgeschnallt, damit er keinen weiteren Fluchtversuch unternehmen konnte. Die Lichtstrahlen, die aus dem Greifer des Geräts kamen, leuchteten grell in seine Schläfen. Er hoffte, ein Meteorit würde im Turm einschlagen und alles vernichten. Er hoffte auf irgendetwas, das diese Sache hier beenden würde.
Als die Fantasievorstellung ihren natürlichen Verlauf nahm, stieß Blackburn gereizt die Luft aus und sagte: »Es reicht.« Er stand auf, langte nach oben und schaltete den Memografen ab.
»Sind wir fertig?«, fragte Tom hoffnungsvoll.
»Wir haben noch nicht einmal angefangen, Raines. Sie und ich haben drei Stunden mit Ihren schwachsinnigen Fantasien vergeudet. Wann geht es Ihnen endlich in den Kopf, dass Sie nichts vor mir verbergen können, solange Sie hier auf diesem Stuhl sitzen? Wenn Sie bereits bei etwas so wenig Peinlichem Widerstand leisten wie bei diesen …« – er suchte nach dem richtigen Ausdruck – »diesen unwahrscheinlichen Begegnungen, die Sie sich da mit verschiedenen weiblichen Auszubildenden vorstellen, dann wird das hier eine lang andauernde Tortur für uns beide.«
Tom starrte mit zornigem Gesicht auf den Bildschirm, die Fäuste gegen die Armlehnen gepresst.
Blackburn schnippte mit den Fingern, um Toms Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. »Versuchen Sie es mal damit, Raines. Denken Sie nicht an einen Elefanten.«
»Was?«
»Denken Sie nicht an einen Elefanten. Denken Sie nicht – ich wiederhole, nicht – an einen Elefanten.« Er ließ die Worte einen Moment in der Luft schweben. Dann fragte er: »Sie denken gerade an einen Elefanten, nicht wahr?«
»Ja, ich denke gerade an einen blöden Elefanten! Wieso?«
»So funktioniert das«, erklärte Blackburn und wies auf den Bildschirm. »Wenn Sie versuchen, nicht an diesen Elefanten zu denken, nimmt dieser Elefant in Ihrem Bewusstsein erst recht Gestalt an. Der Memograf spürt dieses Bewusstsein. Er merkt, dass Sie etwas verbergen. Er hört erst dann auf, den Rest Ihrer Erinnerungen zu durchstöbern, wenn er spürt, dass Sie damit aufhören, den Elefanten vor ihm zu verbergen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass wenn ich mich weiterhin dagegen sträube, dass Sie alles in meinem Gehirn sehen können, Sie am Ende tatsächlich alles in meinem Gehirn sehen können? Ist das richtig?«
»Ja, so ist es – desensibilisieren Sie sich also lieber schnell. Wenn Sie sich zu lange wehren, dann garantiere ich Ihnen, dass hinterher nicht mehr viel von Ihrem Verstand übrig ist. Gegen einen Memografen kann man sich nicht zur Wehr setzen.«
Toms Brust schmerzte, als Blackburn das Gerät wieder einschaltete. Er wollte am liebsten den Kopf einziehen, doch er wusste, dass es keinen Sinn hatte – die Strahlen folgten ihm und richteten sich erneut auf seine Schläfen aus. Ein Gefühl der Sinnlosigkeit
Weitere Kostenlose Bücher